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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition)
Autoren: Philippa Gregory
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kriegerischen Gottes.
    «Ja, werter Vater», sage ich. «Gehst du fort?»
    «Ich habe heute eine Aufgabe zu bewältigen», erwidert er ernst. «Weißt du, was?»
    Ich schüttele den Kopf.
    «Wer ist unser größter Feind?»
    Das ist leicht. «Die böse Königin.»
    «Ganz recht, und ich wünschte, ich hätte sie in meiner Gewalt. Aber wer ist unser zweitschlimmster Feind und ihr Gemahl?»
    «Der schlafende König», antworte ich.
    Er lacht. «So nennst du sie? Die böse Königin und den schlafenden König? Recht so. Du bist eine junge Dame von großer Klugheit.» Ich werfe Isabel, die mich für dumm hält, einen herausfordernden Blick zu. «Und was glaubst du», fährt mein Vater fort, «wer wurde an uns verraten und gefangen genommen, wie ich es vorausgesehen habe, und in Fesseln nach London gebracht?»
    «Der schlafende König?»
    «Ja», sagt er. «Und ich reite mit meinen Männern, um ihn durch die Straßen von London in den Tower zu bringen, und dort wird er bleiben und für immer unser Gefangener sein.»
    Hoch ragt er über mir auf, und ich blicke zu ihm, doch ich wage nicht zu sprechen.
    «Was ist?»
    «Kann ich mitkommen?»
    Wieder lacht er. «Du bist mutig wie ein kleiner Ritter, du hättest ein Junge werden sollen. Nein, du kannst nicht mitkommen. Aber wenn ich ihn im Tower festgesetzt habe, darfst du manchmal zum Toreingang hineinschauen, und du wirst sehen, dass du nichts mehr von ihm zu fürchten hast. Ich habe den König in meinem Gewahrsam, und ohne ihn kann die Königin, seine Gemahlin, nichts tun.»
    «Aber dann sind ja zwei Könige in London.» Isabel hat ihr intelligentes Gesicht aufgesetzt, und jetzt tritt sie vor und tut so, als wäre sie interessiert.
    Er schüttelt den Kopf. «Nein. Nur einer. Edward. Der König, den ich auf den Thron gesetzt habe. Er ist der rechtmäßige König, außerdem haben wir den Sieg errungen.»
    «Wie wirst du ihn herbringen?», fragt meine Mutter. «Gewiss wollen viele ihn vorbeiziehen sehen.»
    «Gefesselt», antwortet mein Vater knapp. «Auf einem Pferd, die Füße unter dem Bauch gebunden. Er hat gegenüber dem neuen König von England und gegenüber mir gegen das Gesetz verstoßen. Sie sollen ihn ruhig so sehen.»
    Meine Mutter stößt ein leises Keuchen aus angesichts dieser Respektlosigkeit. Darüber muss mein Vater lachen.
    «Er hat in den Hügeln des Nordens im Freien geschlafen», sagt er. «Er wird nicht aussehen wie ein König. Er hat nicht gelebt wie ein großer Lord, sondern wie ein Gesetzloser. Hiermit bereiten wir der Schande ein Ende.»
    «Und alle werden sehen, dass du ihn zurückbringst, glorreich wie ein König», bemerkt meine Mutter.
    Mein Vater lacht wieder, blickt in den Hof zu seinen Männern, die so elegant gekleidet und so gut bewaffnet sind wie eine königliche Leibgarde, und nickt anerkennend, als seine Standarte mit dem Bär und dem abgeästeten Baumstamm entrollt wird. Ich schaue zu ihm auf, geblendet von seiner Größe und seiner machtvollen Aura.
    «Ja, ich bringe den König von England ins Gefängnis», bekräftigt er. Er tätschelt mir die Wange, schenkt meiner Mutter ein Lächeln und schreitet in den Hof. Der Stallbursche steht am Aufsitzblock mit seinem Lieblingspferd bereit; es heißt Midnight wegen seiner dunklen glänzenden Flanken. Mein Vater schwingt sich in den Sattel, wendet sich zu seinen Männern um und erteilt mit erhobener Hand den Befehl zum Ausrücken. Midnight scharrt begierig mit den Hufen, als könnte er sich kaum bremsen. Mit der einen Hand hält mein Vater die Zügel straff und streichelt ihm mit der anderen über den Hals.
    «Guter Junge», sagt er. «Heute widmen wir uns einer gewichtigen Aufgabe, heute bringen wir zu Ende, was wir in Towton nicht vollenden konnten, und das war ein wirklich großer Tag für dich wie für mich.»
    Und dann ruft er: «Abmarsch!», setzt sich an die Spitze und reitet mit seinen Männern aus dem Hof hinaus, durch den Steinbogen. In den Straßen von London, in Islington, treffen sie die Wache, die den schlafenden König unter Arrest genommen hat, damit er dem Land nie wieder Albträume bereitet.

Barnard Castle, County Durham

Herbst 1465
    I sabel und ich werden in Vaters Privatgemächer gerufen. Wir sind im Norden, in Barnard Castle. Ich mag die Burg sehr, die auf einer Felswand so hoch über dem Tees steht, dass ich von meinem Schlafzimmerfenster einen Stein in den schäumenden Fluss tief unter mir plumpsen lassen kann. Es ist eine kleine Burg mit hohen Mauern, umgeben von einem
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