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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition)
Autoren: Philippa Gregory
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wahre Königin, eine Königin aus Eis, ohne Familie oder Freunde.»
    Fasziniert von diesem Bild, bin ich schon wieder halb aus dem Bett. Ich ziehe die Pelzdecke von unserem Nachtlager und halte sie ihr hin.
    «Wie? Wie wärst du? Zeig es mir, Izzy!»
    Sie legt sich die Decke wie einen Umhang um die Schultern, wirft den Kopf nach hinten, richtet sich zu ihrer ganzen Größe von einem Meter siebenunddreißig auf und schreitet durch die kleine Kammer, den Kopf hochgereckt, und bedenkt eingebildete Höflinge mit einem unterkühlten Nicken.
    «So», sagt sie. «
Comme ça
, elegant und unfreundlich.»
    Ich springe aus dem Bett, schnappe mir einen Schal, werfe ihn mir über den Kopf und folge ihr, ahme ihr Nicken nach rechts und links nach und sehe dabei so majestätisch aus wie Isabel.
    «Wie geht es Euch?», sage ich zu einem leeren Stuhl und verharre, als würde ich mir die Bitte anhören. «Nein, keineswegs. Ich kann Euch nicht helfen, es tut mir schrecklich leid, diesen Posten habe ich schon meiner Schwester gegeben.»
    «Meinem Vater, Lord Rivers», fügt Izzy hinzu.
    «Meinem Bruder Anthony, er ist so ansprechend.»
    «Meinem Bruder John, und ein Vermögen meinen Schwestern. Für Euch ist nichts übrig. Ich habe eine große Familie», sagt Isabel, die neue Königin, in ihrer überheblich gedehnten Sprechweise. «Und sie brauchen alle ein Dach über dem Kopf. Ein prächtiges Dach.»
    «Alle», fahre ich fort. «Dutzende. Habt Ihr gesehen, wie viele mir in die große Halle gefolgt sind? Wo soll ich nur Titel und Grundbesitz für sie alle finden?»
    Wir stolzieren im Kreis herum, und wenn wir aneinander vorbeikommen, neigen wir den Kopf mit formvollendeter Gleichgültigkeit. «Und wer seid Ihr?», frage ich kalt.
    «Ich bin die Königin von England», sagt Isabel und ändert unvermittelt das Spiel. «Ich bin Königin Isabel von England und Frankreich, frisch verheiratet mit König Edward. Er hat sich wegen meiner Schönheit in mich verliebt. Er ist vollkommen verrückt nach mir und vergisst darüber seine Freunde und seine Pflichten. Wir haben heimlich geheiratet, und jetzt werde ich zur Königin gekrönt.»
    «Nein, nein,
ich
wollte Königin von England sein», sage ich, lasse den Schal fallen und fahre zu ihr herum. «Ich bin Königin Anne von England. Ich bin die Königin von England. König Edward hat
mich
auserwählt.»
    «Niemals, du bist die Jüngste.»
    «Hat er doch! Hat er doch!» Ich spüre, wie Zorn in mir aufsteigt, und ich weiß, dass ich unser Spiel verderbe, aber ich ertrage es nicht, ihr schon wieder den Vorrang zu lassen, nicht einmal bei einem Spiel in unserem Schlafgemach.
    «Wir können nicht beide Königin von England sein», versucht sie mich zur Vernunft zu bringen. «Du bist die Königin von Frankreich, du kannst die Königin von Frankreich sein. Frankreich ist recht schön.»
    «England! Ich bin die Königin von England. Ich hasse Frankreich!»
    «Also, das geht nicht», versetzt sie kategorisch. «Ich bin die Ältere und darf zuerst wählen, ich bin die Königin von England, und Edward liebt mich.»
    Ich bin sprachlos vor Zorn, dass sie alles für sich beansprucht, plötzlich ihr Alter ausspielt, dass wir nicht mehr fröhlich spielen, sondern zu Rivalinnen werden. Zornesröte im Gesicht und heiße Tränen in den Augen stampfe ich mit dem Fuß auf.
    «England! Ich bin Königin!»
    «Du verdirbst immer alles, weil du so kindisch bist», erklärt sie und wendet sich ab. Da geht die Tür auf, und Margaret kommt herein.
    «Zeit, dass Ihr beide schlaft, Myladys. Gütiger Himmel! Was habt Ihr denn mit der Bettdecke angestellt?»
    «Isabel lässt mich nicht …», setze ich an. «Sie ist gemein …»
    «Genug», sagt Margaret barsch. «Ins Bett. Ihr könnt es mir auch morgen erzählen.»
    «Sie gibt mir nie etwas ab!» Ich schlucke salzige Tränen hinunter. «Nie. Wir haben gespielt, aber dann …»
    Isabel lacht kurz, als nähme sie meinen Kummer nicht ernst, und tauscht einen Blick mit Margaret, wie um zu sagen, dass die Kleine schon wieder einen Wutanfall hat. Das ist zu viel für mich. Wimmernd werfe ich mich bäuchlings aufs Bett. Niemandem liegt etwas an mir, niemand begreift, dass wir zusammen gespielt haben, als gleichberechtigte Schwestern, bis Isabel etwas für sich beansprucht hat, worauf sie kein Recht hatte. Sie sollte wissen, dass sie teilen muss. Es ist nicht richtig, dass ich immer als Letzte komme.
    «Es ist nicht richtig!», sage ich geknickt. «Es ist mir gegenüber nicht
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