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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman
Autoren: script5
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wieder zu erheben und mich zu mahnen, sich mit dem zu streiten, was mein Körper von mir verlangte. Ich wollte mich allen Ernstes erholen, während ich doch jede Sekunde darauf wartete und hinarbeitete, endlich einen Mord begehen zu können? Doch wie immer, wenn ich mir diese Tatsache verinnerlichte, wurde der Wunsch, mich vorher noch einmal gründlich auskurieren zu können, fordernder denn je. Was ich brauchte, war Erholung. Stillliegen. Besonntwerden.
    Nein. Was ich brauchte, war ein Plan.
    Doch konnte man Pläne fassen, wenn man ständig am Rande des Zusammenbruchs wandelte? Oft fühlte sich meine Haut so verwundet an, dass ich glaubte, jede zu schnelle Bewegung könne sie an all den Stellen aufreißen lassen, die gerade erst notdürftig verheilt waren. Immer wieder suchten mich Kopfschmerzattacken ungeahnten Ausmaßes heim. Ich verabscheute Hektik und Aktionismus wie nie zuvor, obwohl ich bei meinen Recherchen nichts anderes tat, als mich in hektischem Aktionismus zu verlieren, und Mamas Bitten, mich doch wenigstens pro forma um eine Zukunft zu bemühen, hatten in den letzten Wochen erheblich an mütterlicher Nachsicht eingebüßt. Wozu einen Job annehmen, wenn es sein konnte, dass ich ihn am nächsten Tag schon wieder aufgeben musste, wenn … Ja, wenn. Wenn, wenn, wenn. Wie so oft verfluchte ich im Geiste die Diskrepanz zwischen dem Zeitgefüge der Mahre und dem von uns Menschen. Sie hatten so schrecklich viel Zeit dank ihrer vermaledeiten Unsterblichkeit.
    Colin hatte mir das Versprechen gegeben, nach der zweiten Tötungsmethode zu forschen und sie mir mitzuteilen. Denn die gängige fiel weg; Tessa war zu alt und damit viel zu stark, um Colin in einem Duell gegen sie antreten zu lassen. Er würde sie nicht besiegen können. Ja, das Versprechen hatte ich mir erbettelt – nur über das Wann hatten wir nicht geredet. Ich hoffte, er würde sein Versprechen wahr machen, bevor meine Hand zu zittrig war, um eine Pistole zu halten. Eine Pistole? Wohl kaum, eine Kugel würde Tessa nicht töten können. Vielleicht musste man ihr einen Pfahl ins Herz schlagen, wie bei den Vampiren? Kam mir albern vor. Oder musste man ihr am Ende den Kopf abhacken?
    Ich rieb erneut meine Füße aneinander, die trotz ihres Fleecekokons kalt geworden waren. Pfahl ins Herz und Kopf abhacken war ekelhaft, aber zu einfach. Nein, es musste etwas anderes sein. Etwas Gewichtigeres. Und ich würde erst wieder Ordnung in meine Gedanken und mein Leben bringen können, wenn ich darum wusste und herausgefunden hatte, wo Papa war und was es mit den Mahren in Italien auf sich hatte. Bis dahin würde ich recherchieren und in meinen wenigen Erholungspausen nach der Sonne lechzen und hoffen, dass sie meine Haut nicht nur bräunte, sondern auch dicker und robuster machte, damit ich mich dieser Aufgabe stellen konnte.
    Mama wusste nichts von meinen unausgegorenen Zielen. Sie wusste nicht einmal genau, was in Hamburg eigentlich geschehen war. Weder Paul noch ich hatten uns überwinden können, ihr auch nur irgendwelche Einzelheiten zu erzählen, obwohl wir es uns anfangs fest vorgenommen hatten. Doch wir schoben das Gespräch auf und machten uns gegenseitig vor, uns zuerst von den Strapazen des Kampfes und der Fahrt zu den Wölfen ausruhen zu wollen, und sobald einige Zeit verstrichen war, zweifelten wir daran, dass Mama die Wahrheit verkraften konnte. Vielleicht redeten wir uns das auch ein.
    Paul scheute sich, Mama zu gestehen, dass er zwischenzeitlich schwul geworden war, weil er von einem Wandelgänger befallen wurde (mit dem er wiederum sein Schwulsein halbherzig ausgelebt hatte), und ich hatte Angst, sie würde mich einsperren, sobald sie erfuhr, was Colin alles mit mir angestellt hatte und dass der gerade erst verheilte Bruch in meiner Hand von ihm rührte.
    Doch Mama war nicht auf den Kopf gefallen. Ihr musste vollkommen klar sein, dass mehr geschehen war, als wir berichtet hatten. Und da Papa immer noch verschollen war, mutierte sie das erste Mal in ihrem mütterlichen Leben zur Glucke und kontrollierte jede meiner Bewegungen. Lediglich mein Computer, den ich mit mehreren Passwörtern schützte, war mein alleiniges Hoheitsgebiet geblieben.
    Paul hatte sich ihrer Kontrollsucht geschickt entzogen. Er musste in Hamburg noch etliche Dinge regeln und ließ sich schon lange keine elterlichen Befehle mehr erteilen. François hatte nichts als Chaos hinterlassen. Abgesehen von der Räumung eines verdreckten, rattenverseuchten Kellerlochs unterhalb seiner
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