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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman
Autoren: script5
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die Kraft nicht aufbringen, sie würde mich verlassen, jetzt, im entscheidenden Moment, würde sie mich verlassen … Ich wollte den Dolch wieder sinken lassen, als Colin plötzlich seine Hände hob und meine packte, um sie zu sich zu ziehen, zusammen mit dem Dolch, direkt an seine Brust, die gellend sang und flehte. Ich war zu schwach, um mich seiner Bewegung zu widersetzen, und spürte, wie seine Haut unter der scharfen Klinge nachgab, genau an der richtigen Stelle, zwischen zwei Rippen.
    »Nein!«, schrie ich, doch Colin war stärker. Das Metall durchbrach lautlos seine Brust und bohrte sich tief in sein Herz. »Nein, Colin, nicht! Das ist doch alles nur ein Film! Wir haben Louis nicht getötet, das könnte ich niemals tun, niemals! Er lebt! Er lebt, Tillmann ist bei ihm und ich habe auch nicht Angelo geküsst, das waren Montagen, sonst nichts, Zusammenschnitte, es waren nicht mal meine Lippen, hast du das nicht gemerkt? Es war doch nur ein Film! Oh Gott, Colin, nein … das war doch alles nicht echt …«
    Die Musik verklang und die Schatten an den Wänden lösten sich auf. Zu spät. Zu spät … Brüllend vor Anstrengung zog ich das Messer aus seiner Brust. Ich schaffte es erst beim zweiten Anlauf, so fest steckte es in seinem Körper. Ich warf es zur Seite, um mit fliegenden Fingern das zerrissene Hemd von seinen Schultern zu zerren. Die Wunde blutete – sie blutete rot. Rot und warm, nicht bläulich. Das schrille Rauschen in seinem Körper wurde leiser und verlangsamte dabei beständig seinen Rhythmus.
    »Nein …« Ich fuhr mit den Fingerspitzen über die Wunde, als könne ich sie damit schließen. Aber das konnte ich nicht. Sie war immer da gewesen und nichts hatte sie heilen können.
    »Doch«, flüsterte er. »Nicht echt. Nur ein Film. Ein Schwindel. Wie ich. Genau wie ich. Deshalb konnte ich es nicht erkennen … Du warst gut, Ellie … richtig gut …«
    Das Rauschen drang beängstigend gedämpft aus seinem Körper. Entspannt ruhten seine Arme neben seinem Kopf, sein Gesicht fast so weiß wie das Kissen. Ich strich panisch über seine Achselhöhlen. Sie waren warm, aber warum verebbte das Rauschen? Ich lauschte, mein Ohr dicht über seiner Brust. Meine Haare fielen herab und streiften seine nackte Haut.
    »Oh Himmel, Lassie …« Colin konnte nicht mehr laut sprechen, nur noch hauchen und raunen. Das Leben verließ ihn. Erstaunt sah ich, wie sich eine feine Gänsehaut um seine Brustwarzen bildete, winzige helle Punkte. Er fror?
    »Ich spüre dich … deine Haare kitzeln. Ich kann dich endlich spüren …«
    »Was redest du da?« Ich zitterte so sehr, dass meine Zähne aufeinanderschlugen. Blut tropfte aus meinem Mund. »Colin, bleib hier, bitte! Bleib hier! Sag mir, was du fühlst!«
    Doch seine Augen schlossen sich, während ein seliges Lächeln seine harten Züge glättete.
    »Ich bin nicht echt. Ich war nur ein Schwindel. Ein Fake. Ich konnte nichts fühlen. Hast du das denn nie verstanden? Ich habe es so oft angedeutet …« Er musste eine Pause machen, um neue Kraft zu sammeln – seine letzte Kraft. Ich drückte meine Ohren an seine Brust, in der es ruhig geworden war. Das Rauschen brandete nur noch unregelmäßig auf und so zaghaft, dass ich es kaum mehr hören konnte. »Ich bin ein Mahr. Wir können nicht fühlen. Wir sind unfähig zu fühlen, nur deshalb rauben wir … Ich habe deine Hände nie auf mir gespürt … nie … erst jetzt …«
    »Aber du hast auf mich reagiert, das – das kann nicht sein, was du behauptest! Ich habe es genau gesehen …« Was redete er da nur?
    »Ja, ich habe auf dich reagiert. Weil du mich gefühlt hast und weil du es schön fandest. Deine Lust war meine Lust, dein Schmerz war mein Schmerz, deine Freude war meine Freude. Es ist gut, dass ich sterbe, denn ich war niemand, ich war nichts … weniger als nichts … Aber für diesen einen Augenblick …« Das Rauschen war von ihm gegangen. Sein Hunger war gestillt. »Für diesen einen Augenblick hat es sich gelohnt. Alles. Ich habe deine Berührungen gefühlt.«
    »Nein, Colin, das glaube ich dir nicht! Ich glaube das alles nicht, das kann nicht sein! Und du stirbst nicht, du wirst jetzt nicht sterben! Hast du mich verstanden?«
    Ich schlug ihm ins Gesicht und auf seine Brust, doch er hörte nicht auf zu lächeln, so glücklich und matt und zufrieden. Er musste seine Augen öffnen …
    »Sieh mich an, Colin, bitte sieh mich an!«
    »Nein.« Seine Lippen bewegten sich kaum mehr.
    »Doch, du
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