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Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
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mag; und da ich ihm in meiner Torheit die Statthalterschaft einer Insel zu geben wünschte, so möchte ich ihm jetzt, da ich bei Verstand bin, ein Königreich geben, wenn ich es hätte, denn sein aufrichtiges Gemüt und seine Treue haben es verdient.«
    Er wendete sich hierauf zu Sancho und sagte zu ihm: »Vergib mir, Freund, daß ich dir Gelegenheit gegeben habe, ebenso töricht zu erscheinen als ich, daß ich dich in Irrtum gestürzt, in welchen ich selber stürzte, daß jemals in der Welt irrende Ritter gewesen.«
    »Ach!« antwortete Sancho weinend, »sterbt nur nicht, gnädiger Herr, sondern nehmt meinen Rat an und lebt noch viele Jahre, denn die größte Torheit, die ein Mensch in diesem Leben begehen kann, ist, daß er mir nichts, dir nichts stirbt, ohne daß ihn einer umbringt oder eine andere Hand als die der Melancholie sein Ende herbeiführt. Seid doch nicht so lässig, sondern steht aus dem Bette auf, und wir wollen uns auf das Feld begeben, als Schäfer angezogen, wie wir verabredet hatten, vielleicht finden wir hinter einer Hecke die Señora Doña Dulcinea entzaubert, daß wir's nicht besser wünschen können. Wollt Ihr aber aus Verdruß darüber sterben, daß Ihr überwunden seid, so schiebt nur die Schuld auf mich und sagt, der Rozinante wäre gestürzt, weil ich ihn so schlecht gesattelt hätte; Ihr werdet ja auch außerdem wohl in den Ritterbüchern gelesen haben, daß es etwas Gewöhnliches ist, daß ein Ritter den andern aus dem Sattel hebt und daß, wer heute besiegt wird, morgen der Sieger ist.«
    »So ist es«, sagte Simson, »und der wackere Sancho Pansa sieht die Sache von der rechten Seite an.«
    »Meine Freunde«, sagte Don Quixote, »wir wollen dieses unterlassen, denn in den Nestern vom vorigen Jahre wird man im jetzigen keine Vögel gewahr; ich war ein Tor und bin jetzt vernünftig, ich war Don Quixote von la Mancha und bin jetzt, wie schon gesagt, Alonso Quixano der Gute; und ich wünsche nur, daß meine aufrichtige Reue mich in Eure ehemalige Achtung wiederherstellen möge, und so möge der Herr Notarius denn fortfahren.
    Item, so vermache ich alle meine Habe meiner Nichte Antonia Quixana, welche hier gegenwärtig ist, nachdem sie vorher die Vermächtnisse ausgezahlt und richtig gemacht hat, welche ich noch anzeigen werde, wovon das erste ist, daß sie den Lohn, den ich ihr schuldig bin, seit sie mir gedient hat, der Haushälterin ganz auszahle und noch zwanzig Dukaten darüber zu einem Kleide. Zu Vollstreckern ernenne ich den Herrn Pfarrer und den Herrn Baccalaureus Simson Carrasco, welche gegenwärtig sind.
    Item, so ist es mein Wille, daß, wenn sich Antonia Quixana zu verheiraten gedenkt, sie sich mit einem Manne verheirate, dessentwegen man erst vorher Nachricht einziehen soll, ob er auch nicht weiß, was Ritterbücher sind, und im Falle er es weiß und meine Nichte ihn doch heiraten will und ihn wirklich heiratet, soll sie meiner ganzen Erbschaft verlustig gehen, welche meine Vollstrecker alsdann nach ihrem Willen zu frommen Werken verwenden können.
    Item, so bitte ich diese genannten Herren, meine Vollstrecker, daß, wenn sie zufälligerweise den Autor kennenlernen, welcher eine Geschichte verfaßt haben soll, die unter dem Titel herausgekommen ist: Zweiter Teil der Taten des Don Quixote von la Mancha, sie ihn meinerseits, so herzlich sie nur können, um Vergebung bitten sollen, daß ich, ohne es zu wollen, ihm Gelegenheit gegeben, so viele und so große Albernheiten zu schreiben, wie er getan hat, denn ich scheide mit dem Vorwurfe aus diesem Leben, die Ursache gewesen zu sein, daß er sie geschrieben hat.«
    Hiermit beschloß er sein Testament und wurde ohnmächtig, so daß er im Bette der Länge nach ausgestreckt lag. Alle erschraken und suchten ihm zu helfen; aber in den drei Tagen, welche er noch lebte, seitdem er sein Testament gemacht hatte, befielen ihn diese Ohnmachten häufig. Das ganze Haus war in Verwirrung; aber dessenungeachtet aß die Nichte, die Haushälterin trank, und Sancho Pansa war munter, denn etwas zu erben vertilgt oder mäßigt doch im Gedächtnisse des Erben den Schmerz, welcher den Sterbenden begleiten muß.
    Endlich erschien die letzte Stunde des Don Quixote, nachdem er alle Sakramente empfangen und mit vielen und nachdrücklichen Reden die Ritterbücher verwünscht hatte. Der Notarius war zugegen und sagte, er habe noch in keinem einzigen Ritterbuche gelesen, daß irgendein irrender Ritter auf seinem Bette so ruhig und christlich gestorben wäre wie
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