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Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
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irrende Ritter noch besser als der Schäfer. Bedenkt Euch, gnädiger Herr, und nehmt meinen Rat an, denn ich gebe ihn nicht, da ich Brot und Wein übermäßig zu mir genommen habe, sondern ich bin ganz nüchtern, auch schon in meinem Alter über die funfzig hinaus; bleibt in Euerm Hause, verwaltet Euer Vermögen, geht oft zur Beichte, teilt den Armen mit, und ich will es auf mein Gewissen nehmen, wenn Ihr unrecht darin tut.«
    »Schweigt, meine Kinder«, antwortete Don Quixote, »denn ich weiß am besten, was mir obliegt; bringt mich zu Bette, denn es ist mir, als sei ich nicht ganz wohl, und seid überzeugt, daß, ich mag irrender Ritter oder ein Schäfer in der Irre sein, ich es nicht unterlassen werde, immer denjenigen beizustehen, welche meiner bedürfen, wie Ihr es durch die Tat sehen sollt.« Und die guten Kinder – denn dies waren sie wirklich –, Haushälterin und Nichte, brachten ihn zu Bett, wo sie ihm zu essen gaben und ihn so gut als möglich verpflegten.

    9. [74.] KAPITEL
    Wie Don Quixote krank wurde; von dem Testamente,
    welches er machte, und von seinem Tode

    Da alle menschlichen Dinge nicht ewig dauern, sondern sich stets vom ersten Anbeginn herunterneigen, bis sie ihr letztes Ende erreichen, vorzüglich das Leben des Menschen, und da Don Quixote vom Himmel kein Vorrecht hatte, das seinige im Laufe festzuhalten, so erreichte es auch sein Ende und seine Vollendung, als er es am wenigsten vermutete; denn sei es nun von der Melancholie, sich überwunden zu sehen, oder daß es der Himmel also verordnete, er bekam ein Fieber, welches ihn sechs Tage im Bette hielt, in welchem er oft von dem Pfarrer, dem Baccalaureus und dem Barbier, seinen Freunden, besucht wurde und Sancho Pansa, sein braver Stallmeister, nicht von seinem Bette kam. Diese, welche glaubten, daß der Verdruß, besiegt zu sein und seinen Wunsch, die Erlösung und Entzauberung der Dulcinea, noch nicht erfüllt zu sehen, ihn so niedergeworfen habe, versuchten alles, ihn aufzumuntern, weswegen der Baccalaureus sagte, er möchte sich ein Herz fassen und aufste hen, um das Schäferleben anzufangen, denn er habe schon eine Ekloge verfertigt, die bei weitem alle die des Sannazar übertreffe, auch habe er für sein eigenes Geld zwei herrliche Hunde angekauft, die Herde zu bewachen, mit Namen Barcino und Butron, welche ihm ein Hirt von Quintanar abgelassen habe. Don Quixote aber ließ deshalb seine Traurigkeit nicht fahren. Seine Freunde riefen den Arzt, der ihm den Puls fühlte, mit dem er nicht zufrieden war, und ihm sagte, er möchte auf alle Fälle für die Wohlfahrt seiner Seele sorgen, denn die seines Leibes sei in Gefahr. Don Quixote hörte dies mit Ruhe; nicht aber ebenso die Haushälterin, seine Nichte und sein Stallmeister, welche so von ganzem Herzen zu weinen anfingen, als wenn er wirklich schon tot wäre. Der Arzt war der Meinung, daß Melancholie und Verdruß sein Ende herbeiführten. Don Quixote bat, man möchte ihn allein lassen, denn er wolle ein wenig schlafen. Sie taten es, und er schlief, wie man zu sagen pflegt, in einem Zuge sechs Stunden weg, so daß die Haushälterin und Nichte glaubten, er würde von diesem Schlafe nicht wieder erwachen. Nach dieser Zeit aber ermunterte er sich und sagte mit lauter Stimme: »Gelobt sei der allmächtige Gott, der mir so große Wohltat erzeigt! Ja, seine Barmherzigkeit hat keine Grenzen, und die Sünden der Menschen können sie weder beschränken noch verhindern.«
    Die Nichte war auf die Worte ihres Oheims aufmerksam, und da sie ihr vernünftiger vorkamen, als er gewöhnlich, wenigstens in dieser Krankheit, zu sprechen pflegte, fragte sie ihn: »Was sagt Ihr da, Señor? Gibt es etwas Neues? Was sagt Ihr da von der Barmherzigkeit oder von den Sünden der Menschen?«
    »Die Barmherzigkeit meine ich, liebe Nichte«, antwortete Don Quixote, »welche Gott mir in diesem Augenblicke erwiesen hat und welche, wie gesagt, meine Sünden nicht haben verhindern können. Mein Verstand ist frei und klar und jener dicken Nebel los, die die armselige und fortgesetzte Lesung der abscheulichen Ritterbücher auf ihn geworfen hatten. Ich sehe jetzt ihren Unsinn und ihre Verworfenheit ein, und es kränkt mich nur, daß diese Enttäuschung so spät gekommen ist, daß mir keine Zeit übrigbleibt, es wiedergutzumachen und andere zu lesen, welche das Licht der Seele sind. Ich fühle, liebe Nichte, daß ich sterben werde, und ich wünschte, mein Tod wäre so, daß man einsähe, mein Leben sei nicht so schlimm
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