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Don Fernando erbt Amerika

Titel: Don Fernando erbt Amerika
Autoren: Ewald Arenz
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Dinge in einem anderen Licht zu sehen. Durch eine ungewöhnliche Kindheit, in der viele Bücher, eigenwillige Geschwister, ein abgelegenes Juradorf und etwas sonderbare Eltern eine tragende Rolle gespielt hatten, war er zu einem Mann geworden, der weder sich selbst noch die Umwelt wirklich ernst nahm. Er konnte durchaus hervorragend vorgeben, vernünftig und erwachsen und ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein, aber innerlich amüsierte er sich dabei. Das Problem war: Er sah immer noch einen Sinn im Leben, glaubte, das Ganze würde doch noch zuirgendeinem Ziel führen und hielt die meisten Menschen im Innersten für gut.
    Nachdem das aber weder in unserem Jahrhundert noch in überhaupt irgendeinem Zeitraum der bekannten Historie en vogue ist und war (die meisten Leute, die diesen Modetrend zu etablieren versuchten, endeten entweder am Kreuz oder auf dem Scheiterhaufen) und Christoph zudem – wie schon oben angemerkt – intelligent war, sagte er vorsichtshalber das, woran er glaubte, als sei es nicht ernst gemeint. Was ihm den Ruf eines brillanten Zynikers einbrachte.
    Im Augenblick allerdings war er sich nicht sicher, ob sich eine dreißig Jahre alte, gut fundierte Weltsicht gegen einen Kater durchsetzen konnte, der gerade erst zehn Minuten alt war. Er verschob dieses Problem auf später. Zuerst musste er herausfinden, wo er war. Das Bad war kein echter Anhaltspunkt, außerdem waren die rosafarbenen Kacheln nicht gut für seinen Magen. Er öffnete das Dachfenster, stellte sich auf die Toilette, wobei ihm gerade noch rechtzeitig einfiel, den Deckel zu schließen, und sah hinaus. Die kalte Luft war ein Schock. Aber sie öffnete ihm wenigstens vollständig die Augen. Über den Rand des Daches hinweg konnte er auf die Straße hinuntersehen. Offensichtlich war er im dritten Stock eines Hauses am Burgberg. ›Aha‹, dachte er, ›Nürnberg. Immerhin.‹
    Dann musste links oben die Burg sein. Er verdrehte den Kopf, um nach oben zu sehen. Keine gute Idee, fand sein Magen, aber er kämpfte die Übelkeit nieder. Von unten klangen Hufschläge herauf. Er sah einen Trupp Ritter den Berg hinabreiten. Na toll! Wenn heute irgendein Fest in der Stadt war, wurde ihm garantiert das Auto abgeschleppt.
    Wenn er mit dem Auto gefahren war.
    Vielleicht waren sie ja mit Bébés Auto gekommen. Wenn er nur wüsste, wer diese Frau war und ob sie nun Bébé oder ihn abgeschleppt und den jeweils anderen nur in Kauf genommen hatte. In moralischer Hinsicht war das irgendwie wichtig. Denn er war ja nun seit gestern solo, Bébé hingegen …
    Christoph wusch sich mit kaltem Wasser, kramte nach Handtüchern und einer Zahnbürste, fand keine neue und benutzte kaltblütig eine der gebrauchten. Diesen schalen Alkoholgeschmack loszuwerden, war ein gewisses Infektionsrisiko wert. Dann verließ er das Bad und ging zurück in das Zimmer, in dem er sich vorhin gefunden hatte. Bébé und die junge Frau saßen beim Frühstück – Bébé mehr am Kaffee, obwohl er ein Hörnchen auf dem Teller hatte. Ein kurzer Augenkontakt genügte und Christoph wusste, dass Bébé genauso wenig ahnte, wie sie hierhergekommen waren. Das konnte ein wirklich fantastisches Frühstück werden!
    Christoph setzte sich, goss sich Kaffee ein und lächelte die junge Frau unsicher an: »Äh, sag mal, wann sind wir eigentlich heimgekommen?«
    »Ungefähr gegen fünf, würd’ ich mal sagen.«
    Bébé schaltete sich ein: »Und von wo?«
    Die junge Frau lachte ungläubig: »Jetzt habt ihr wahrscheinlich auch vergessen, wie ich heiße, ja?«
    »Nö, kein Gedanke …«, beeilte sich Bébé zu antworten und Christoph sagte: »Nie im Leben! Nach so einer Nacht …«
    »Eben«, sagte ihre Gastgeberin und lächelte breit.
    Christoph hätte sich ohrfeigen können. Da war die Chance gewesen und er hatte sie nicht wahrgenommen. Unter dem Tisch trat er Bébé, gerade, als der ihn auch treten wollte. Als Physiker, der er war, hätte Christoph genau erklären können, nach welchen Gesetzen zwei Körper im Normalraum nicht zur selben Zeit am selben Platz sein können, weshalb ihrer beider Knie nach oben schießen mussten und den Tisch plötzlich gewaltig beschleunigten. Die Tischkante traf die Frau am Kinn und ließ sie in ihrem Stuhl hintüber kippen. Kaffee und Orangensaft gewannen gegen den Tisch das Rennen, wer zuerst auf der jungen Frau landen würde, die Brötchen flogen in den Gang und der Tee kam zwischen Christoph und Bébé herunter, wobei sich die Designerglaskanne
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