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Don Fernando erbt Amerika

Titel: Don Fernando erbt Amerika
Autoren: Ewald Arenz
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absetzen?«
    »Japp!«, antwortete Christoph und ließ sich zufrieden durch die Stadt kutschieren, wobei er sich Bébés neueste Kompositionen um die Ohren wehen ließ. Denn die Musikanlage in den Autos ging nie kaputt – wie es sich für einen Rockmusiker gehört.
    Christoph ließ sich vor ihrer gemeinsamen Wohnung absetzen und Bébé fuhr weiter zur Arbeit, nachdem sie sich lose für den Abendin der Stadt verabredet hatten. Die beiden wohnten in der Altstadt in einem ziemlich heruntergekommenen Haus, das eigentlich aus der Jahrhundertwende hätte stammen sollen, aber nach dem Krieg neu aufgebaut worden war, und zwar offensichtlich in ziemlicher Eile. Christoph war schon im dritten Stock, als ihm einfiel, dass er nicht in den Briefkasten gesehen hatte. Womöglich hatte Kathrin ihm heute Morgen einen Brief oder wenigstens einen Zettel eingeworfen, auf dem stand, dass sie ihm alles verzieh und ihn sehen wollte. Plötzlich fühlte er sich wieder ziemlich mies. Bis jetzt hatte er die Gedanken an den gestrigen Streit ziemlich hintanhalten können. Aber als er jetzt zum Briefkasten hinunterging, wurde ihm das ganze Elend mit diesem Weib wieder sehr deutlich.
    Natürlich war nur Werbung im Briefkasten. Sehr viel Werbung. Ihr Briefkasten war der einzige mit dem Aufkleber »Keine Werbung«, deshalb konnten die Nachbarn ihre Werbung hineinstopfen und sparten sich so den Weg zur Papiertonne. Er sortierte alles sorgfältig und warf die Prospekte wieder in die Nachbarbriefkästen. Dann ging er nach oben. Vielleicht konnte er ein bisschen schlafen. Als er jedoch die Wohnung aufschloss, hörte er fröhlichen Lärm aus der Küche. Da wurde eine Menge gelacht. Offensichtlich hatte sich sein Bruder, der vorübergehend auch hier wohnte, irgendeine Frau mitgebracht. Christoph ging durch den chaotischen Flur, öffnete die Tür und wollte sagen:
    »Könnt ihr’n bisschen leiser sein? Ich will nämlich schlafen.«
    Was er aber tatsächlich sagte, war:
    »Oh du lieber mein Vater, was für eine Scheiße! Gisela?«
    »Nee, das ist Nicola«, sagte sein Bruder fröhlich. »Sie wollte was mit dir besprechen.«
    Christoph floh.

 6 
    Kathrin saß in der Redaktion und wartete auf die Bilder aus dem Labor. Ihren Artikel hatte sie eben fertiggestellt. Er umfasste ungefähr 230 Zeilen, die, wie Kathrin aus leidvoller Erfahrung wusste, später vom Chefredakteur auf eine Bildunterschrift zusammengestrichen werden würden. Es sei denn, die Bilder würden im Labor irgendwie zerstört werden. Im Labor, wohlgemerkt, dann wäre es nicht ihr Fehler und der Chefredakteur müsste ihren Artikel in voller Länge akzeptieren, damit er keinen Ärger mit dem Bürgermeister bekäme. Sie nahm den Hörer ab, den sie sich wie den Schreibtisch und den Computer mit Stefan, dem Kollegen vom Feuilleton, teilte, und rief hoffnungsfroh im Labor an:
    »Sag mal, Herbert, sind meine Fotos schon fertig?«
    »Welche Fotos denn, Süße?«, fragte Herbert zurück.
    »Die vom Bürgermeister auf der Burg und sag nie wieder Süße zu mir oder ich dreh dir die Eier ab.«
    Je konservativer der Stil einer Zeitung ist, desto mehr sinkt das Sprachniveau ihrer Redakteure. Unbewusst suchen alle nach einem Ventil für die bösen Wahrheiten, die sie nicht schreiben dürfen. Kathrin hatte versucht, sich dem zu entziehen, aber Herbert gegenüber hatte sie keinerlei Hemmungen. Da konnte die Sprache gar nicht drastisch genug sein. Als sie vor ein paar Jahren hier angefangen hatte, wollte Herbert mit ihr ausgehen. ›Nein‹, korrigierte sie sich in Gedanken, ›er wollte mich flachlegen.‹ Sie waren damals in eine Pizzeria gegangen und er hatte versucht, sie mit dem billigsten Lambrusco abzufüllen. Er hatte sie dann im Auto heimgebracht und wollte mit ihr in die Wohnung. Als sie schließlich ablehnte, hatte er gesagt:
    »Ich krieg noch achtzehn Euro von dir, für die Pizza, du wolltest doch die Rechnung teilen, oder?«
    Das hatte sie absolut sprachlos gemacht. So etwas hatte sie überhaupt noch nicht erlebt. Wortlos hatte sie bezahlt und war gegangen. Aber das Beste war, dass er überhaupt nicht das Bewusstsein hatte, irgendetwas falsch gemacht zu haben, und sie am nächsten Morgen fröhlich begrüßte. Als er ihr ein paar Wochen später auf den Hintern klatschte, worauf sie schon längst vorbereitet war, knallte sie ihm die lang geplante Ohrfeige mit solcher Wucht, dass er einen Tag krankgeschrieben wurde, weil ihm eine Plombe herausgefallen war. Aber offensichtlich war er
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