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Don Camillo und seine Herde

Don Camillo und seine Herde

Titel: Don Camillo und seine Herde
Autoren: Giovannino Guareschi
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mit seinen Carabinieri, die vor der Kirche Stellung bezogen.
    Dann kam, versteht sich, Peppone an der Spitze eines langen Zuges von Demonstranten.
    «Als Bürgermeister protestiere ich entschieden gegen diese Herausforderung!» brüllte Peppone. «Ich fordere, daß der Gottesdienst aus Gründen der öffentlichen Sicherheit abgesagt wird.»
    «Seelenmessen dieser Art wurden in allen Städten Italiens gelesen, und niemand darf es verhindern», entgegnete der Kommandant. «Ich sehe nicht ein, warum das ausgerechnet hier nicht erlaubt sein sollte.»
    «Ichübernehme keine Verantwortung für die berechtigten Reaktionen des Volkes, wie immer sie auch sein mögen!» erwiderte Peppone. «Das ist eine Beleidigung der Demokratie!»
    Don Camillo erschien im Kirchentor.
    «Ihr Herausforderungsfeldzug geht mit vollen Segeln weiter, Hochwürden!» brüllte Peppone. «Ich sehe, daß Sie sich nun öffentlich in den Dienst der Reaktion stellen! So steht es auf der Tafel!»
    «Ich stehe im Dienste Gottes», antwortete Don Camillo. «Für mich sind die Seelen aller Christen gleich, und es würde mir nicht im geringsten schwerfallen, eine Seelenmesse auch für deine Seele zu lesen.»
    «Sie werden vor mir sterben!»
    «Das wird der liebe Gott bestimmen. Jedenfalls bitte ich dich, deiner Herde zu sagen, sie soll Platz machen, damit in die Kirche gehen kann wer will!»
    Peppone grinste.
    «Gut! Auch ich möchte sehen, wer es heute wagen wird, die Kirche zu betreten! Macht Platz, Leute! Stellt euch in zwei Reihen auf und schweigt! Du, Brusco, nimmst dein Notizbuch und schreibst die Namen aller auf, die in die Kirche hineingehen!»
    Sie bildeten zwei lange Reihen und warteten.
    Keine Menschenseele zeigte sich. Um zehn Uhr fünfundzwanzig kam der alte Bettler mit seinem Käfig und mit dem Vöglein und ging ruhig mitten durch die beiden Menschenmauern.
    «He!» schrie ihn Smilzo an. «Schau, daß du weiterkommst, das ist nichts für dich!»
    Der Alte blieb stehen.
    «Gilt das mir?»
    «Ja. Schau, daß du weiterkommst, hier ist dicke Luft. Das ist eine Monarchistenmesse für Reaktionäre.»
    «Das weiß ich», antwortete ruhig der Alte und ging weiter. «Ich habe sie bestellt.»
    Als sich Peppone von diesem Schlag erholt hatte, war es schon zu spät, der Alte war bereits in der Kirche.
    «Wir reden noch darüber, wenn er herauskommt!» schrie eine Frau.
    Der alte Bettler war allein in der leeren Kirche. Er stellte sich vor den Katafalk, der mit der Fahne bedeckt war. Etwas war offensichtlich nicht in Ordnung, weil der Alte den Kopf schüttelte, den Käfig auf eine Bank stellte und mit einem Finger ein Zeichen gab. Das Vöglein steckte sofort das Köpfchen durch die Stäbe und zog mit dem Schnabel ein rotes Blättchen heraus.
    Der Alte breitete das viermal zusammengefaltete Blättchen auseinander und riß es entlang der Falten in vier Quadrate.
    Dann legte er die vier Quadrate aus rotem Papier in das weiße Mittelfeld der Fahne, zwei oben und zwei unten, drei Finger breit voneinander entfernt. Das ergab das Wappen von Savoyen, ein weißes Kreuz im roten Feld. Dann kehrte er auf seinen Platz zurück und blieb ruhig stehen.
    Als die Messe zu Ende war und sich der Alte anschickte, die Kirche zu verlassen, trat Don Camillo zu ihm und reichte ihm das Päckchen mit den tausend Lire. Aber der Alte schüttelte den Kopf.
    «Nein, nein, Hochwürden. Sonst verliert die Sache jeden Wert und jeden Sinn.»
    Als der alte Bettler im Tor erschien, ging ein Gemurmel durch die Menge. Hinkend betrat der Alte den Gang zwischen den beiden Menschenmauern. Die Carabinieri konnten nicht rechtzeitig eingreifen, eine Schar von Weibern stürzte sich schreiend auf den Alten.
    Rasch entriß man den Alten den Klauen der kreischenden Weiber und machte Platz um ihn. Er betrachtete seinen zerbrochenen Käfig und die zerstreuten Wahrsageblättchen.
    Tot sah er das Vöglein am Boden liegen. Er schüttelte ein wenig den Kopf, dann drehte er sich um und ging.
    Auch die Menge ging schweigend auseinander, und das tote Vöglein blieb mitten auf dem Kirchplatz liegen. Don Camillo hob es auf, wickelte es in die Glücksbrieflein und begrub es im Garten, im Schatten eines Nußbaumes. In die kleine Grube steckte er auch das Päckchen mit den tausend Lire.
    Ein Windstoß riß ein Kirchenfenster auf und verwehte die vier kleinen Quadrate aus rotem Papier, die auf dem Katafalk mitten im weißen Feld der Fahne gelegen hatten.

Der Kommissar

    Kaum hatte der Provinzkommissar der Parteileitung
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