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Don Camillo und seine Herde

Don Camillo und seine Herde

Titel: Don Camillo und seine Herde
Autoren: Giovannino Guareschi
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(einer von jenen finsteren und wortkargen Typen, die aussehen, als ob sie dazu geschaffen wären, mit einem roten Halstuch und einer Maschinenpistole herumzulaufen) damit begonnen, Peppone und Genossen, die sich im Haus des Volkes versammelt hatten, zu «aktivieren», als Smilzo außer Atem erschien.
    «Das Zeug aus Amerika ist da!» rief er. «Es sind Aufrufe her-außen, die Bedürftigen sollen ihre Pakete im Pfarrhof holen. Weiße Teigwaren, Kondensmilch, Marmelade, Zucker und Butter! Der Aufruf hat überall Eindruck gemacht.»
    Der Kommissar fragte, was eigentlich der Aufruf besage, und Smilzo berichtete:
    «Das väterliche Herz des Heiligen Vaters usw. usw., und alle Bedürftigen können sich an den Herrn Pfarrer, Don Camillo, wenden usw. usw.»
    «Alle Bedürftigen?»
    «Alle ohne Unterschied.»
    Peppone ballte die Fäuste.
    «Ich wußte, daß dieser verfluchte Pfarrer zu einem Schlag ausholt! Sie nützen die Armut aus, diese Schufte! Man muß etwas tun!»

    «Sorge dafür, Genosse!» befahl der Kommissar. «Laß alle Zellenleiter zusammenrufen!»
    Die Zellenleiter kamen, ganz außer Atem, und Peppone klärte sie über den Schachzug der Reaktion auf.
    «In einer halben Stunde sollen alle Genossen wissen, daß ich jeden zu Brei schlage, der nur eine Stecknadel annimmt! Smilzo, du hältst vor dem Pfarrhof Wache und rührst dich nicht von dort. Mach nur die Augen gut auf und schreib in deinem Notizbuch alle auf, die ein Paket abholen kommen!»
    «Gut so, Genosse», stimmte der Kommissar ernst zu. «In solchen Fällen muß man mit größter Entschiedenheit vorgehen.»

    Den ganzen Tag stand eine Schlange vor dem Pfarrhaus, und Don Camillo platzte vor Freude, weil die Sachen gut und ausgiebig und die Leute zufrieden waren.
    «Ihr müßt mir dann sagen, ob die Sachen, die euch die Kommunisten geben, besser sind als diese!» spottete Don Camillo.
    «Die Roten geben einem nur einen Sack voll Lügen!» antworteten alle.
    Auch unter den Roten gab es Arme, aber keiner zeigte sich, und das war Don Camillos einziger Kummer, weil er sich auch für sie schon einen eigenen Satz ausgedacht hatte: «Eigentlich gebührt dir nichts, denn du hast ja schon von Stalin einen Haufen bekommen. Aber es soll dir trotzdem schmecken, Genosse, da hast du dein Paket!» Es erschien aber keiner von ihnen. Und als man ihn darauf aufmerksam machte, daß Smilzo, hinter einem Baum versteckt, die Namen der Leute aufschrieb, die sich Pakete holten, begriff Don Camillo, daß er seinen famosen Satz für sich behalten könne.
    Um sechs Uhr abends waren alle «normalen» Armen versorgt, und es blieb nur noch der für die «besonderen» Armen vorgesehene Haufen. Da ging Don Camillo zum Altar und vertraute sich Christus an.
    «Jesus», sagte er, «siehst Du diese Sachen?»
    «Ich sehe sie, Don Camillo. Mir geht das alles sehr ans Herz, denn es sind arme Leute, bedürftig wie die anderen, und dennoch gehorchen sie ihren Führern mehr als ihrem Hunger. Und so nehmen sie Don Camillo die Genugtuung, sie mit seinem Spott zu demütigen.»
    Don Camillo senkte das Haupt.
    «Christliche Nächstenliebe heißt nicht, den Bedürftigen vom Überfluß zu geben, sondern mit ihnen das Nötige zu teilen. Der Heilige Martin teilte seinen Mantel mit dem Armen, der vor Kälte bebte; das ist christliche Nächstenliebe. Aber auch wenn du dein einziges Brot mit einem Hungernden teilst, darfst du es ihm nicht hinwerfen, wie man einem Hund einen Knochen zuwirft. Man muß mit Demut geben und dem Hungrigen danken, daß er dir erlaubt, an seinem Hunger teilzunehmen. Was du heute getan hast, war nur Wohltätigkeit, und es war nicht einmal dein Überfluß, sondern Überfluß anderer Leute, den du an Bedürftige verteilt hast. Deine Handlungsweise ist also kein Verdienst. Du warst keineswegs demütig, wie du hättest sein sollen, sondern dein Herz war voll Gift.»
    Don Camillo schüttelte den Kopf.
    «Jesus», flüsterte er, «mach, daß diese Unglücklichen kommen. Ich werde nichts zu ihnen sagen. Ich hätte zu ihnen auch nichts gesagt, wenn sie schon früher gekommen wären. Ich weiß, Du hättest mich schon rechtzeitig erleuchtet.»
    Don Camillo ging in den Pfarrhof und wartete. Als aber eine Stunde verging und sich niemand sehen ließ, schloß er Tor und Fenster.
    Es verging noch eine Stunde. Es war schon acht Uhr vorbei, als jemand an die Tür klopfte. Don Camillo beeilte sich, sie zu öffnen. Straziami stand draußen, einer der Getreuesten Peppones, und Straziami war düster und
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