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Don Camillo und Peppone

Don Camillo und Peppone

Titel: Don Camillo und Peppone
Autoren: Giovannino Guareschi
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blieb derselbe, der ich zu Hause war. Drei Monate werde ich hinter dem Riegel verbracht haben. Man kann sagen, daß ich jeden Abend entweder Ausgangsverbot hatte oder saß.
    Kaum waren die achtzehn Monate vorbei, schickte man mich nach Hause.
    Ich kam spät am Nachmittag heim, und ohne mich überhaupt in Zivil zu kleiden, sprang ich auf das Fahrrad und fuhr zur Straße nach Fabbricone.
    class="calibre2">Sollte mir jene wieder Geschichten machen, würde ich sie mit dem Fahrrad erschlagen.
    Es begann langsam dunkel zu werden, und ich fuhr wie ein Blitz und dachte, wo ich sie zum Teufel finden werde. Ich mußte sie aber gar nicht suchen, ganz im Gegenteil: das Mädchen war da und wartete pünktlich auf mich unter der dritten Telegraphenstange.
    Sie war genauso, wie ich sie verlassen hatte, und die Augen waren genau dieselben.
    Ich stieg vor ihr ab.
    «Ich habe es hinter mir», sagte ich, indem ich ihr den Entlassungsschein zeigte. «Da ist die sitzende Italia, und das bedeutet uneingeschränkte Entlassung.»
    «Sehr schön», antwortete das Mädchen.
    Ich war wie ein Gottverdammter gefahren, ich hatte eine trockene Kehle.
    «Könnte ich nicht ein paar gelbe Pflaumen haben, wie damals?» fragte ich.
    Das Mädchen seufzte.
    «Es tut mir leid, der Baum ist aber abgebrannt.»
    «Abgebrannt?» wunderte ich mich, «seit wann brennen denn die Pflaumenbäume ab?»
    «Es war vor sechs Monaten», antwortete das Mädchen. «Eines Nachts fing der Heustadel Feuer, und das Haus verbrannte und auch alle Bäume im Obstgarten, wie Zündhölzer. Alles ist verbrannt; nach zwei Stunden standen nur noch die Wände. Siehst du sie?»
    Ich schaute hin und sah ein Stück schwarzer Mauer mit einem Fenster, das auf den roten Himmel hin geöffnet war.
    «Und du?» fragte ich.
    «Auch ich», antwortete sie mit einem Seufzer, «auch ich, wie alles andere.
    Ein Häufchen Asche und weg war ich.»
    Ich schaute das Mädchen an, das an der Telegraphenstange angelehnt stand; ich schaute sie starr an, und durch ihr Gesicht und ihren Körper hindurch sah ich die Holzadern der Stange und das Gras im Graben.
    Ich richtete einen Finger auf ihre Stirn und berührte die Telegraphenstange.
    «Habe ich dir weh getan?» fragte ich.
    «Nein, du hast mir nicht weh getan.»
    Wir blieben eine Weile schweigend, während der Himmel immer dunkler rot wurde.
    «Und jetzt?» sagte ich endlich.

    «Ich habe auf dich gewartet», seufzte das Mädchen, «damit du siehst, daß es nicht meine Schuld war. Kann ich jetzt gehen?»
    Ich war damals einundzwanzig und hätte die Waffe mit einem Fünfundsiebzigerkaliber präsentieren können, wenn es notwendig gewesen wäre. Wenn mich Mädchen sahen, richteten sie sich auf, als ob sie an einem General vorbeimarschierten, und schauten mich so lange an, bis ihnen die Augen weh taten.
    «Und jetzt?» wiederholte das Mädchen leise. «Soll ich gehen?»
    «Nein», antwortete ich, «du mußt warten, bis ich auch den anderen Dienst ausgedient habe. So leicht wirst du mich nicht los, meine Schöne.»
    «Es ist gut», sagte das Mädchen. Und es schien mir, als ob sie lächelte.
    Ich habe aber solche Dummheiten nicht gerne und bestieg sofort mein Fahrrad.
    Es sind jetzt bald zwölf Jahre, daß wir uns jeden Abend sehen. Ich komme vorbei und steige nicht einmal ab.
    «Grüß dich.»
    «Grüß dich.»
    Verstehen Sie? Wenn es darum geht, im Gasthaus einmal zu singen, oder hie und da eine Karte aufzuschlagen, bin ich immer dafür. Nichts anderes aber: ich habe bereits ein Mädchen, das jeden Abend bei der dritten Telegraphenstange auf mich wartet, auf der Straße von Fabbricone.
    Der eine sagt jetzt: Brüderchen, warum erzählst du uns diese Geschichten?
    So, antworte ich. Weil man begreifen muß, daß auf diesem Stück Erde zwischen Fluß und Berg Dinge geschehen können, die anderswo nicht geschehen. Dinge, die immer mit der Landschaft im Einklang sind. Und es weht dort eine besondere Luft, die den Lebenden und den Toten wohltut, und auch Hunde haben dort eine Seele. Dann versteht man Don Camillo, Peppone und alles andere besser. Und man wundert sich nicht, daß Christus spricht und daß einer dem anderen auf den Kürbiskopf schlagen kann in aller Anständigkeit, weil ohne Haß. Und daß sich zwei Feinde letzten Endes doch in den wesentlichen Dingen einigen.
    Denn dort ist der breite ewige Atem des Flusses, der die Luft reinigt. Des stillen und majestätischen Flusses, über dessen Damm gegen Abend der Tod auf dem Fahrrad dahineilt. Oder geh du
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