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Don Camillo und Peppone

Don Camillo und Peppone

Titel: Don Camillo und Peppone
Autoren: Giovannino Guareschi
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die fünfzig.
    «Sie sagen, ich hätte heute nacht die Wiese beim ersten Eschenbaum überschwemmt», erklärte mein Vater.
    «Es ist bereits fünfundzwanzig Tage her, daß das Feld unter Wasser ist», behauptete ein Alter.
    «Fünfundzwanzig Tage», sagten die Männer, die Weiber und die Kinder.
    «Sie werden es verwechselt haben mit dem Kleefeld beim zweiten Eschenbaum», schloß ein Kuhhirte. «Man kann sich leicht irren, wenn man keine Erfahrung hat.»
    Alle gingen von dannen und bissen sich in die Lippen vor Wut.
    Am nächsten Morgen ließ mein Vater einspannen und fuhr in die Stadt, in der er drei Tage blieb. Sehr düster im Gesicht kam er zurück.
    «Nichts zu machen, die Schienen müssen durch», erklärte er meiner Mutter.
    Es kamen andere Leute aus der Stadt und pflanzten kleine Holzpflöcke zwischen den nunmehr wieder trockenen Furchen. Die Eisenbahn sollte über das ganze Kleefeld führen, um dann wieder die Straße zu erreichen und sie bis zum Bahnhof von Gazzola nicht mehr zu verlassen.
    Die Dampftramway sollte den Bahnhof von Gazzola mit der Stadt verbinden, und es wäre eigentlich ein schöner Vorteil für das Land gewesen: sie hätte aber durch die Güter meines Vaters ziehen müssen, und dies sollte sogar durch Überheblichkeit erreicht werden, und das war das Schlimme daran. Hätten sie es höflich von meinem Vater gefordert, hätte er die Erde abgetreten, ohne einen Groschen dafür zu verlangen. Mein Vater war dem Fortschritt nicht abgeneigt. War nicht er der erste hierzulande, der ein modernes Doppelgewehr mit geschlossenen Hähnen gekauft hatte?
    So aber, o du lieber Gott!
    Entlang der Landstraße stapelten lange Menschenreihen Steine auf, legten Schwellen und befestigten auf ihnen Schrauben. Und so wie sich dann die Schienen verlängerten, machte die Lokomotive mit den Wagen für Baumaterial immer wieder einen Schritt vorwärts. Nachts schliefen die Leute in den gedeckten Karren am Schluß des Geleitzuges.
    Nunmehr näherte sich die Eisenbahn dem Kleefeld, und an einem Morgen begannen die Leute, ein Stück Zaun abzutragen. Ich und mein Vater saßen unter dem ersten Eschenbaum: auch Gringo, ein Hund, den mein Vater wie unsereins liebte, war mit uns. Kaum hatten die Schaufeln den Zaun durchbrochen, sprang Gringo zur Straße, und als die Leute zwischen den Latten eine Öffnung machten, fanden sie ihn drohend vor sich, wie er ihnen die Zähne zeigte.
    Einer von den Idioten machte einen Schritt vorwärts, und Gringo sprang ihm an den Hals.
    Sie waren an die dreißig, mit Krampen und Schaufeln. Sie sahen uns nicht, weil wir hinter der Esche waren.
    Der Ingenieur trat mit einem Stock hervor.
    «Weg, du Vieh», schrie er. Gringo riß ihn aber an der Wade, und er fiel brüllend zu Boden.
    Die anderen griffen in Masse mit Krampen und Schaufeln an. Gringo ließ nicht nach. Er blutete, fuhr aber fort zu beißen, Waden und Hände zu zerreißen.
    Mein Vater biß an seinem Schnurrbart. Er war blaß wie ein Toter und schwitzte. Hätte er gepfiffen, wäre Gringo sofort zurückgekehrt und am Leben geblieben. Mein Vater pfiff nicht: er fuhr fort zuzuschauen, blaß wie ein Toter, die Stirne in Schweiß gebadet, und drückte fest meine Hand, während ich schluchzte.
    An den Stamm der Esche war das Doppelgewehr angelehnt und blieb so, angelehnt.
    Gringo hatte keine Kraft mehr und kämpfte nur noch mit seiner kleinen Seele. Einer zerspaltete ihm den Kopf mit der Schaufelkante.
    class="calibre2">Ein anderer nagelte ihn mit einer Stange am Boden fest. Gringo klagte noch eine Weile und streckte sich dann aus.
    Da erhob sich mein Vater, nahm das Doppelgewehr unter den Arm und schritt langsam zu den Leuten aus der Stadt.
    Als sie ihn so vor sich erscheinen sahen, groß wie eine Pappel, mit dem hängenden Schnurrbart, breitem Hut, kurzer Jacke, engen Hosen und hohen Stiefeln, traten alle einen Schritt zurück und schauten ihn stumm an, die Stiele ihrer Werkzeuge fester umklammernd.
    Mein Vater schritt bis zu Gringo, bückte sich, faßte ihn am Halsband und schleppte ihn wie einen Fetzen weg.
    Wir bestatteten ihn am Fuße des Dammes, und als ich rundherum die Erde festgestampft hatte, wie sie früher war, nahm mein Vater den Hut ab.
    Auch ich nahm den Hut ab.
    Die Tramway kam nie nach Gazzola: es war Herbst, und der Fluß stieg an und rollte dahin, gelb von Schlamm; in einer Nacht durchbrach er den Damm, und das Wasser lief über die Felder und überschwemmte den ganzen niedrigen Teil des Gutes: das Kleefeld und die Straße
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