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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer
Autoren: Dennis Vlaminck
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herbeigewünscht haben, das ihm seine Kirche geraubt hat?«
    »Nichts kann gegen seinen Willen geschehen. Also ist alles, was geschieht, Gottes Wille.«
    »Wollte Gott uns denn strafen?«, fragte der Erzbischof. »Haben wir sein Missfallen erregt? Ist er gegen den Dombau?«
    Gerhard wäre am liebsten in Jubel ausgebrochen. Konrad wies ihm geschickt den Weg aus der Sackgasse. »Wäre der Herr gegen den Dombau, dann hätte er ihn verhindert. So aber hat der Herr bewirkt, dass wir seinen eigentlichen Willen erkennen. Er hat uns gezeigt, dass ihm der Bau des neuen Doms nicht schnell genug beginnen kann.«
    Die Augen Konrad von Bürens zuckten unruhig hin und her, dann begriff er offensichtlich, welche Möglichkeiten in dieser Deutung steckten. Wenn er Gerhards Worten folgte, dann geriet der peinliche Vorfall zum Triumph.
    »Ich finde«, sagte der Dompropst schließlich in getragenem Tonfall, »wir sollten dies den Menschen im Domhof mitteilen.«
    »Ich stimme Euch zu«, erwiderte der Erzbischof. »Die Leute warten schon lange genug auf uns. Die Nachricht wird die Prozession in einen freudigen Marsch um die Stadt verwandeln.«
    Als die Geistlichen den Saal verließen, lächelte Konrad Gerhard heimlich zu. Der Dombaumeister lächelte zurück.
    Die beiden Brüder verließen den Palast, kaum dass die Prozession außer Sichtweite war. Barthel war es zuerst nicht recht gewesen. Aber Paulus hatte darauf gedrängt, obwohl er noch ein wenig wacklig auf den Beinen und mit einem Brummschädel ausgestattet war. Es gab gewisse Dinge zu erledigen, hatte er gesagt. Barthel folgte willig. Der Bericht seines Bruders über Matthias hatte ihn in zu große Unruhe versetzt, als dass er still im Palast hätte sitzen können.
    »Nox hatte keinen Grund zu lügen«, sagte Paulus, als sie durch die menschenleeren Gassen gingen. In der Ferne hörten sie die Gesänge der Menschen. »Er wusste zu viel über Matthias und uns. Die Geschichte muss einfach stimmen.«
    »Jedenfalls würde das zu diesem Hurensohn von einem Bruder passen.« Barthel hätte es sogar geglaubt, wenn ihm zu Ohren gekommen wäre, dass Matthias ihre Mutter eigenhändig umgebracht und den Dom niedergebrannt hätte.
    »Über Tote soll man nicht schlecht reden, Barthel. Das weißt du.«
    »Verlange keinen Anstand von mir. Der hätte Matthias besser zu Gesicht gestanden.«
    Sie erreichten Henners Hurenhaus. Die Tür war unverschlossen. Als ihnen auf mehrfaches Klopfen niemand öffnete, traten sie ein. Im Schankraum trafen sie niemanden an, und auch auf ihr Rufen antwortete niemand. Ungefragt gingen sie die Stiege hinauf.
    Vor der Kammer ihrer Mutter hielt Barthel Paulus zurück. »Ich finde das sehr anständig von dir.«
    »Was?« Paulus sah ihn verwundert an.
    »Dass du das Erbe mit mir teilen willst.«
    »Das ist doch selbstverständlich.«
    Barthel schmunzelte. »Das ist es nicht. Mutter wird dir dasselbe gesagt haben wie mir. Dass du der beste, liebste und bravste Sohn von uns dreien bist und deshalb all die Ersparnisse, die sie in ihrem Versteck im Balken aufbewahrt, dir gehören.«
    Paulus stand mit offenem Mund da. Barthel ahnte, was in ihm vorging. Seine Mutter hatte ihn hinters Licht geführt. »Du weißt doch, wie sie war«, sagte er.
    Paulus schluckte. »Ich weiß, wie sie war, und ich weiß auch, wie Matthias war. Dennoch ist es schwer zu glauben, wozu die beiden in der Lage waren. Mutter hat uns gegeneinander ausgespielt, und Matthias hat mich dem Teufel verkauft. Beide waren hinterhältig. Vielleicht hat Matthias sogar in Kauf genommen, dass Mutter umgebracht wird.«
    »Trotzdem, gräme dich nicht. Sie waren keine guten Menschen und hatten deine Zuneigung nicht verdient.«
    Ein tiefer Seufzer entfuhr Paulus’ Brust. Er sah Barthel an. »Erst habe ich um Mutter und Bruder gebangt, dann um sie getrauert. Und schließlich muss ich mich der Tatsache stellen, dass die beiden grundschlecht waren. Grundschlecht, Barthel.«
    »Aber das wussten wir doch, Bruderherz.«
    Paulus nickte, dann betraten sie die Kammer. Nichts erinnerte hier mehr an Nox’ tödliches Treiben. Henner hatte die Habseligkeiten ihrer Mutter beiseiteschaffen und den Raum wieder herrichten lassen. Das Blut war gründlich entfernt und die Kammer gereinigt worden. Paulus trat an den Balken und griff in den Schlitz zwischen Holz und Decke. Die Öffnung war schmal, er musste seine Hand hineinzwängen. Der Hohlraum dahinter selbst war recht groß. Paulus tastete hin und her, drehte und wendete seine Hand, so gut
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