Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer
Autoren: Dennis Vlaminck
Vom Netzwerk:
folgte mit weichen Knien. »Bin ich kein Gefangener?«
    Sein Bruder schüttelte den Kopf. »Wir sind Gäste des Erzbischofs. Nachdem er erfahren hat, was geschehen ist, hat er uns unter seinen Schutz gestellt. Du hast einen harten Schlag auf den Kopf bekommen, und wir wussten nicht, in welchem Zustand du sein würdest, wenn du aufwachst. Wir wollten schlicht nicht, dass du schlaftrunken durch den Palast stolperst. Daher der Riegel vor der Tür.«
    Vor der nächsten Tür machte Barthel halt. Ein Schrei, der durch Mark und Bein ging, drang aus der Kammer. Paulus kannte die Stimme nicht. Sie traten ein. Auf dem Bett lag Bärbel, in ihren Armen ein in weiße Tücher gewickelter Säugling, der aus Leibeskräften schrie. Neben ihr saß auf einem Schemel eine alte Frau. Paulus vermutete, dass sie eine Hebamme war. Sie erhob sich, deutete eine Verbeugung an und verließ die Kammer.
    »Sie – sie lebt? Bärbel lebt?«, fragte Paulus.
    »Natürlich. Was hast du denn erwartet? Du klingst beinahe enttäuscht.« Barthel grinste ihn an. Dann trat er ans Bett und streichelte sein Kind. Der Stolz stand mit einem Lächeln in seinem Gesicht geschrieben.
    Wieder rannen Tränen über Paulus’ Wangen. Dieses Mal waren es Tränen der Freude. »Aber du sagtest doch, du hättest schlechte Nachrichten.«
    »Die habe ich auch. Aber dann hast du nach Bärbel gefragt.«
    »Hurensohn«, sagte Paulus und lachte.
    »Selber Hurensohn.«
    »Und das Kind ist da – Himmel, Bärbel, wann hattest du denn Zeit, das Kind zu kriegen?«
    Bärbel legte den Säugling an ihre Brust und stillte ihn. Paulus’ Anwesenheit störte sie nicht. »Die hatte ich nicht. Es ist am Ufer des Rheins zur Welt gekommen, weil ihr feinen Kerle ja beschlossen hattet, alle größeren Wassergefährte in meiner Nähe in die Luft zu jagen. Vielen Dank auch dafür.«
    Paulus hätte vor Freude an die Decke springen mögen. »Ich hoffe, der heilige Renatus hat dir eine gute Geburt geschenkt. Wie heißt er? Oder sie?«
    »Eigentlich wollten wir ihn Paulus nennen«, sagte Barthel. »Aber weil er eine Sie geworden ist, haben wir sie der heiligen Walburga geweiht. Schließlich ist die Kleine in der Walpurgisnacht zur Welt gekommen.«
    »Ich freue mich für euch – auch wenn ihr sie Paula hättet nennen können.« Er wandte sich zu Barthel um. Es gab noch etwas zu klären. »Was ist mit Jenne?«
    Sein Tonfall musste seinem Bruder verraten haben, dass er in großer Angst um sie war. Barthel wich seinem Blick aus. »Ich weiß es nicht. Niemand hat sie gesehen, seit du mit ihr von Bord gesprungen bist. Dich haben wir mit der Esche dort aus dem Wasser gefischt, wo wir dich im Rhein haben landen sehen. Aber Jenne war nicht da. Es tut mir leid.«
    Paulus atmete gegen sein Herz an. Sie durfte einfach nicht tot sein. Jenne war immer da gewesen, wenn er Hilfe benötigt hatte. Da musste sie doch in der Lage gewesen sein, sich selbst zu helfen.
    Barthel legte eine Hand auf seine Schulter. »Es tut mir leid, Paulus.«
    »Sie ist zäh. Wahrscheinlich sitzt sie jetzt irgendwo in einer Hafenkneipe und trinkt sich einen auf den Schrecken.«
    »Wahrscheinlich.« Barthel rieb Paulus’ Arm.
    »Ich würde es ihr wünschen«, sagte Bärbel leise. »Ihr – und dir.«
    »Sie sagte, dass sie nicht schwimmen kann.« Nun hörte Paulus keine tröstenden Worte mehr. Die drei schwiegen sich eine Weile an, und in der Stille waren nur Walburgas Nuckelgeräusche zu hören. Er atmete tief durch. »Sind das die schlechten Neuigkeiten, von denen du gesprochen hast, Barthel?«
    »Ja. Aber es gibt noch mehr.«
    »Welche?«
    »Dein Geldgürtel ist mit der Summus gesunken. Nun ist es Rheingold.«
    Paulus seufzte. »War es den Preis wenigstens wert? Haben wir sie aufgehalten?«
    »Das haben wir. Das Schiff der Mailänder ist nur noch Brennholz.«
    »Du hattest einen wahrhaft zündenden Einfall.«
    »Es war zuvorderst die Idee dieses Büttels mit Namen Konstantin, der übrigens auch überlebt hat. Er stand plötzlich auf der Summus und verlangte von mir, diese Kogge zu rammen. Das Mehl hätte sich so oder so entzündet. Wir haben das Feuer nur ein wenig befördert. Dafür hast du es geschafft, die Kogge auf Grund zu setzen.«
    »Nox? Die Mailänder?«
    Barthel schüttelte den Kopf. »Der Erzbischof lässt die Unholde suchen. Und er lässt prüfen, ob sie den großen Knall überhaupt überlebt haben.«
    Mit der flachen Hand schlug Paulus sich an die Stirn. Seine Erinnerung kehrte zurück. »Flussaufwärts! Da könnten sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher