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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer
Autoren: Dennis Vlaminck
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es versprochen und mir auch. Allen hat sie eine lange Nase gemacht, jedem von uns dasselbe erzählt. Du bist der beste von meinen Söhnen, hat sie mir gesagt. Jedem von euch wird sie das gesagt haben, nur damit wir uns ihr verpflichtet fühlten.«
    »Sie wollte doch nur, dass wir uns um sie kümmern.«
    »Dann hätte sie einfach eine Mutter sein sollen. Welches Kind würde sich nicht um eine gute Mutter kümmern? Doch eine Hexe war sie, nichts anderes. Eine Mutter, eine gute Mutter, denkt zuvorderst an ihre Kinder, sie liebt ihre Söhne. Unsere Mutter hat immer nur an sich gedacht.«
    Paulus fuhr sich übers Gesicht. »Wie konntest du nur? Ich verstehe es einfach nicht.«
    »Was soll es da schon groß zu verstehen geben? Dieser Fleischberg namens Nox ist vor ein paar Wochen an der Stadtmauer entlanggezogen. Er hat Fragen gestellt und für Antworten Geld geboten. Er wollte nur einen Kontakt zu jemandem, der mit den Geldsäcken Gir, Mummersloch und Quatermart in Verbindung steht. Mir war klar, er sucht einen Sündenbock. Und mir war klar, dass ich ihm den liefern konnte. Das habe ich getan.«
    »Hat es sich wenigstens ausgezahlt?«
    In Matthias’ Hals knackte es, als er den Kopf schüttelte. »Nox’ Lohn habe ich schon am ersten Abend versoffen.«
    »Und das Erbe unserer Mutter? Die Börse aus dem Balkenversteck?«
    Stöhnend sank Matthias auf sein Lager zurück. Den Blick nach oben an den Mauerbogen gerichtet, zog er einen Lederbeutel hervor, den er Paulus reichte. Das lederne Bändchen war bereits gelockert. Paulus zog den Beutel auf und sah hinein. Er war leer.
    »Selbst das war eine Lüge unserer Mutter, Paulus. Sie war so arm wie eine Kirchenmaus. Sie hat uns nach einem Erbe hecheln lassen, das es nie gegeben hat.«
    Paulus blickte auf. Er fühlte sich so leer wie der Lederbeutel in seiner Hand. »All das Unheil, das du angerichtet hast, der Verrat, der Versuch, unser Erbe zu stehlen – das alles war für nichts und wieder nichts.«
    Matthias setzte sich auf. Sein Blick und das Grinsen verrieten, dass die Schadenfreude die Schmerzen aufwog. »Ich hasse meine Familie, Paulus, ich hasse euch. Es hat mir vielleicht kein Geld eingebracht. Aber es hat mir Spaß gemacht.«
    »Ich kann es noch immer nicht glauben. Ich bin dein Bruder, Matthias. Dein eigen Fleisch und Blut.«
    »Mag sein. Aber ich kann dich nicht essen. Euch allen geht es gut, nur mir geht’s dreckig. Doch von euch kümmert sich keiner um mich. Was ich getan habe, ist mir leichtgefallen. Barthel hat mich schon immer gehasst, du hast mich verlassen, und meine Mutter war eine verlogene Natter. Ihr habt es nicht besser verdient.«
    Sprachlos saß Paulus da und wusste nicht, was er sagen sollte. Beinahe hätte er sich noch rechtfertigt. Angewidert schluckte er die Worte hinunter, die ihm fast aus dem Mund gepurzelt wären. Matthias hatte nicht den Hauch von Verständnis verdient.
    »Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas jemals sagen würde, Matthias. Du bist ein Schwein. Wärest du nicht mein Bruder, würde ich dir jetzt etwas antun. Aber das brauche ich nicht, denn der Lohn für deine Taten steht jetzt schon fest. Für all das Leid, das du anderen Menschen zugefügt hast, wirst du in der Hölle brennen.«
    Paulus warf Matthias noch einen letzten Blick zu, stand dann auf und ließ seinen hustenden Bruder in dem Verschlag zurück. Er wollte ihn nicht mehr sehen, zumindest für eine sehr lange Zeit nicht.
    Mit einem lauten Knall fielen die Fässer zu Boden. Johannes und Marieken rannten davon, soweit ihr Lachen es ihnen überhaupt erlaubte, ihre Beinchen halbwegs geordnet voreinanderzusetzen.
    »Kaputt, kaputt, der Dom ist kaputt«, riefen sie und kicherten dabei so albern, als erzählten sie den besten Witz seit Menschengedenken.
    »Verdammte Saubande.«
    Viktor, der Salzhändler, drohte seinen beiden Enkelkindern mit der Faust. Doch seine Wut über den Streich war so schnell verraucht, wie er die Fässer wieder aufgestellt hatte. Gottlob waren sie leer und nicht voller Salz gewesen. Den Zwillingen, die gerade erst ihr zweites Frühjahr erlebten, konnte er einfach nicht böse sein. Dafür waren sie viel zu hinreißend, viel zu niedlich. Außerdem musste er ihnen zugestehen, dass sie das fürchterliche Ereignis des Vortages irgendwie verarbeiten mussten. Auch Johannes und Marieken hatten den Einsturz des Doms mit angesehen. Wenn sie doch nur nicht ständig in seinem Lagerraum spielen würden.
    Seiner alten Knochen wegen hatte Viktor darauf verzichtet,
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