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Dolores

Dolores

Titel: Dolores
Autoren: Stephen King
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hör mir eine Weile zu. Ich seh schon kommen, daß du mir so ziemlich die halbe Nacht zuhören mußt, also kannst du dich gleich dran gewöhnen. Ja, ich habe verstanden, was du mir vorgelesen hast! Seh ich so aus, als hätte ich den Verstand verloren, seit ich dich im Supermarkt getroffen habe? Das war am Montag nachmittag, falls du es nicht mehr wissen solltest. Ich habe dir gesagt, daß deine Frau dir die Hölle heiß machen wird, weil du altbackenes Brot gekauft hast im Kleinen sparen und im Großen verschwenden, so heißt das doch -, und ich wette, ich hatte recht, stimmt’s?
    Ich verstehe meine Rechte durchaus, Andy. Meine Mutter hat schließlich keine Schwachköpfe großgezogen. Ich weiß auch, was ich zu verantworten habe. So wahr mir Gott helfe.
    Alles, was ich sage, kann vor Gericht gegen mich verwendet werden, sagst du? Es gibt doch noch Zeichen und Wunder! Und du, Frank Proulx? Du kannst dir dieses blöde Grinsen aus dem Gesicht wischen. Du bist zwar neuerdings ein großartiger Polizist, aber es ist noch gar nicht lange her, daß du mit flatternden Windeln herumgelaufen bist, und mit demselben blöden Grinsen. Ich geb dir einen kleinen Rat - wenn du es mit einer alten Schachtel wie mir zu tun hast, dann solltest du dir dieses Grinsen sparen. Du bist leichter zu durchschauen als ein Angebot von Unterwäsche in einem Sears -Katalog.
    Also gut, wir haben unseren Spaß gehabt; kommen wir zur Sache. Ich fange jetzt damit an, euch dreien eine ganze Menge zu erzählen, und einiges davon könnte vermutlich vor Gericht gegen mich verwendet werden, wenn jemand das jetzt noch wollte. Der Witz dabei ist, daß die Leute auf der Insel das meiste davon längst wissen; aber das kümmert mich einen feuchten Dreck, wie der alte Neely Robichaud zu sagen pflegte, wenn er besoffen war; er war es fast immer, wie euch jeder sagen wird, der ihn gekannt hat.
    Aber es gibt eine Sache, die mir wichtig ist, und deshalb bin ich auch aus freien Stücken hergekommen. Ich habe Vera Donovan nicht umgebracht. Mir ist egal, was ihr jetzt denkt; ich werde euch dazu bringen, daß ihr mir glaubt. Ich habe sie nicht diese verdammte Treppe hinuntergestoßen. Wenn ihr mich wegen dieser anderen Sache einlochen wollt, gut; aber ihr Blut klebt nicht an meinen Händen. Und ich weiß, daß du mir glauben wirst, Andy, wenn ich mit meiner Geschichte fertig bin. Du warst immer ein guter Junge, soweit Jungen überhaupt gut sein können aufrichtig, meine ich -, und du bist ein anständiger Mann geworden. Aber laß dir das nicht zu Kopf steigen; du bist groß geworden wie jeder andere Mann auch, mit einer Frau, die deine Sachen gewaschen und dir die Nase geputzt und dich umgedreht hat, wenn du dich in die falsche Richtung manövriert hattest.
    Noch etwas, bevor wir anfangen - ich kenne dich, Andy, und Frank natürlich auch, aber wer ist das Mädchen hier mit dem Bandgerät?
    Herr im Himmel, Andy, ich weiß, daß sie eine Stenographin ist! Hab ich dir nicht gerade erklärt, daß meine Mutter keine Schwachköpfe großgezogen hat? Ich werde zwar im November fünfundsechzig, aber ich hab trotzdem noch alle Tassen im Schrank. Ich weiß, daß eine Frau mit einem Bandgerät und einem Block eine Stenographin ist. Ich seh mir alle Serien an, die vor Gericht spielen, sogar L.A. Law, wo anscheinend niemand länger als eine Viertelstunde seine Klamotten anbehalten kann.
    Wie heißt du, Mädchen?
    Ah ja - und wo kommst du her?
    Ach, halt den Rand, Andy! Du hast doch heute sowieso nichts anderes mehr vor. Oder wolltest du etwa zum Strand hinunter, um ein paar Leute zu erwischen, die ohne Lizenz Venusmuscheln ausgraben? Das wäre vermutlich mehr Aufregung, als dein Herz verkraften kann, stimmt’s? Ha!
    So. Das ist besser. Du bist Nancy Bannister aus Kennebunk, und ich bin Dolores Claiborne von Little Tall Island. Ich habe schon gesagt, daß ich reden werde, bis ich Fransen am Mund habe, und wenn wir damit fertig sind, wirst du feststellen, daß kein Wort gelogen war. Also, wenn du meinst, daß ich lauter sprechen soll oder langsamer, dann sag es einfach. Bei mir brauchst du nicht schüchtern zu sein. Ich möchte, daß du jedes einzelne verdammte Wort mitbekommst. Also fangen wir an: Vor neunundzwanzig Jahren, als Chief Bissette hier gerade in die Schule gekommen war, habe ich meinen Mann Joe St. George umgebracht.
    Andy, hier zieht es. Vielleicht hört es auf, wenn du deine verdammte Klappe zumachst. Ich weiß wirklich nicht, warum du so überrascht dreinschaust. Du
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