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Dolores

Dolores

Titel: Dolores
Autoren: Stephen King
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geheißen hatte - Galen oder vielleicht auch Galesburg -, aber ich wußte, daß das nicht stimmte. Immerhin war es denkbar, daß ihre Tochter ihr Modegeschäft nach dem Ort benannt hatte, in dem ihre Mutter geboren war - das jedenfalls redete ich mir ein. 
    »Miz Claiborne«, sagte Greenbush mit leiser, irgendwie besorgter Stimme. »Mrs. Donovans Mann kam bei einem Unfall ums Leben, als Donald fünfzehn war und Helga dreizehn…«
    »Das weiß ich!« sagte ich, als wollte ich, daß er glaubte, wenn ich das wüßte, müßte ich auch alles andere wissen. »… und danach gab es eine Menge böses Blut zwischen Mrs. Donovan und den Kindern.«
    Ich kam zu dem Schluß, daß ich auch das gewußt hatte. Ich erinnerte mich daran, daß die Leute Bemerkungen darüber gemacht hatten, wie still die Kinder gewesen waren, als sie 1961 am Memorial Day auf der Insel eintrafen, und daß man die drei überhaupt nicht mehr zusammen sah, was höchst eigenartig war, wenn man Mr. Donovans plötzlichen Tod im Jahr zuvor bedachte; gewöhnlich schweißt so etwas Menschen enger zusammen - obwohl Stadtmenschen in dieser Hinsicht vielleicht anders reagieren. Und dann fiel mir noch etwas ein, etwas, das Jimmy DeWitt mir im Herbst jenes Jahres erzählt hatte.
    »Sie hatten 1961, kurz nach dem vierten Juli, in einem Restaurant einen Mordsstreit«, sagte ich. »Am nächsten Tag fuhren sie ab. Ich erinnere mich, daß der Ungar Kenopensky, meine ich - sie mit dem großen Motorboot, das sie damals hatten, aufs Festland hinüberbrachte.« 
    »Ja«, sagte Greenbush. »Und zufällig weiß ich von Ted Kenopensky, um was es bei diesem Streit ging. Donald hatte in diesem Frühjahr seinen Führerschein bekommen, und Mrs. Donovan hatte ihm zum Geburtstag einen Wagen geschenkt. Das Mädchen, Helga, sagte, sie wollte auch einen Wagen. Vera - Mrs. Donovan - hat offenbar versucht, Helga klarzumachen, daß das eine verrückte Idee war und daß ihr ein Wagen überhaupt nichts nützen würde ohne einen Führerschein, den sie erst bekommen könnte, wenn sie fünfzehn war. Helga behauptete, in Maine wäre das nicht der Fall - dort könnte man ihn schon mit vierzehn bekommen, was sie gerade geworden war. Kann das stimmen, Miss Claiborne, oder war das nur eine Teenager-Phantasie?«
    »Damals war es so«, sagte ich, »aber ich glaube, jetzt muß man mindestens fünfzehn sein. Mr. Greenbush, der Wagen, den sie Donald zum Geburtstag schenkte - war das eine Corvette?«
    »Ja«, sagte er, »das war es. Woher wissen Sie das, Miz Claiborne?«
    »Ich muß irgendwann einmal ein Foto davon gesehen haben«, sagte ich, aber meine eigene Stimme hörte ich kaum. Die Stimme, die ich hörte, war die von Vera. »Ich bin es satt, zu sehen, wie sie im Mondschein diese Corvette aus dem Steinbruch hieven«, hatte sie gesagt, als sie sterbend auf der Treppe lag. »Bin es satt, zu sehen, wie das Wasser aus dem offenen Fenster an der Beifahrerseite herausläuft.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Foto davon herumgelegen hat«, sagte Greenbush. »Donald und Helga Donovan sind nämlich in diesem Wagen umgekommen. Es passierte im Oktober 1961, fast auf den Tag genau ein Jahr, nachdem ihr Vater gestorben war. Wie es hieß, saß das Mädchen am Steuer.«
    Er redete weiter, aber ich hörte ihn kaum, Andy - ich war zu sehr damit beschäftigt, bei mir selbst Lücken auszufüllen, und das war nicht schwierig. Ich muß wohl gewußt haben, daß sie tot waren - irgendwo tief innen muß ich es die ganze Zeit gewußt haben. Greenbush wußte, daß sie getrunken hatten und mit dieser Corvette mehr als hundertsechzig fuhren, als das Mädchen eine Kurve nicht bekam und der Wagen in dem Steinbruch landete; er wußte, daß beide vermutlich schon tot gewesen waren, bevor der flotte Sportwagen auf den Grund sank.
    Er wußte auch, daß es ein Unfall war, aber über Unfälle wußte ich vielleicht ein bißchen mehr als er.
    Vera vielleicht auch; und vielleicht hatte sie immer gewußt, daß der Streit, der dazu führte, daß die beiden nach dem vierten Juli die Insel verließen, nicht viel damit zu tun hatte, ob Helga einen Führerschein des Staates Maine bekam. Die Kinder hatten sich den ganzen Sommer hindurch von ihr ferngehalten, und ich konnte mir gut vorstellen, daß der Führerschein einfach das Hühnchen war, das sich am leichtesten rupfen ließ. Als McAuliffe mich fragte, worüber Joe und ich gestritten hatten, bevor er mich würgte, sagte ich ihm, es wäre Geld obenauf und Schnaps drunter gewesen.
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