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Dolores

Dolores

Titel: Dolores
Autoren: Stephen King
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waren Formulare für Aktienübertragungen, und ich weiß, wenn jemand zweitausend Anteile von Upjohn verkauft und viertausend von Mississippi Valley Light and Power kauft, dann befindet er sich nicht gerade auf dem Weg ins Armenhaus.
    Ich fragte nicht, um damit anfangen zu können, Kreditkarten zu beantragen, und auch nicht, um alle möglichen Dinge aus dem Sears-Katalog zu bestellen die Idee könnt ihr euch gleich aus dem Kopf schlagen. Ich hatte einen besseren Grund. Ich wußte, daß die Zahl der Leute, die überzeugt waren, daß ich sie ermordet hätte, vermutlich mit jedem Dollar, den sie mir hinterließ, wachsen würde; und ich wollte wissen, was mir bevorstand. Ich dachte an eine Summe von ungefähr sechzig- oder siebzigtausend Dollar - aber er hatte gesagt, daß sie etwas davon einem Waisenhaus vermacht hatte, und so würde noch einiges davon abgehen.
    Da war noch etwas, das mir zu schaffen machte - mich stach wie eine Bremse, die sich im Genick niedergelassen hat. Irgendwas stimmte nicht an der ganzen Geschichte. Aber ich wußte nicht, was es war - genau so, wie ich nicht gewußt hatte, wer Greenbush war, als seine Sekretärin seinen Namen nannte.
    Er sagte etwas, das ich nicht richtig mitbekam. Es hörte sich an wie bla-bla-bla an die dreißig Millionen Dollar.  
    »Wie bitte?« fragte ich.
    »Ich sagte, daß nach den Anwalts- und Gerichtskosten und ein paar anderen kleinen Abzügen die Gesamtsumme an die dreißig Millionen Dollar betragen dürfte.«
    Meine Hand am Hörer fühlte sich an wie manchmal, wenn ich aufwache und mir klar wird, daß ich fast die ganze Nacht darauf geschlafen habe - in der Mitte taub und an den Rändern überall kribbelig. Auch meine Füße kribbelten, und ganz plötzlich fühlte sich die Welt wieder so an, als bestünde sie aus Glas.
    »Entschuldigung«, sagte ich. Ich konnte hören, daß mein Mund völlig einwandfrei und völlig klar redete, aber zwischen mir und den Worten, die herauskamen, schien es keinerlei Zusammenhang zu geben. Er klapperte nur wie ein Fensterladen bei einem stürmischen Wind. »Die Verbindung ist nicht besonders gut. Mir war, als sagten sie etwas, in dem das Wort Millionen vorkam.« Dann lachte ich, nur um zu beweisen, wie abwegig das war, aber ein Teil von mir muß gewußt haben, daß das ganz und gar nicht abwegig war, denn ich habe mich noch nie auf eine Art lachen gehört, die so falsch klang.
    »Ich habe Millionen gesagt«, erklärte er. »Ich habe sogar dreißig Millionen gesagt.« Und wißt ihr was - ich glaube, er hätte gekichert, wenn nicht Veras Tod der Anlaß dafür gewesen wäre, daß ich soviel Geld bekommen sollte. Ich glaube, er war begeistert hinter dieser trockenen, pedantischen Stimme war er regelrecht begeistert. Ich nehme an, er kam sich vor wie John Bearsford Tipton, der in dieser alten Fernsehshow immer eine Million Dollar auf einmal wegschenkte. Er wollte mich als Kundin, das steckte natürlich mit drin - ich kann mir gut vorstellen, daß für Leute wie ihn Geld so etwas ist wie eine elektrische Eisenbahn, und er wollte nicht, daß ihm eine so große Anlage wie die von Vera weggenommen wurde -, aber ich glaube, der Hauptspaß bestand für ihn darin, zu hören, wie fassungslos ich war.
    »Ich begreife es nicht«, sagte ich, und jetzt war meine Stimme so leise, daß ich sie selbst kaum hören konnte. 
    »Ich glaube, ich weiß, wie Ihnen zumute ist«, sagte er. »Es ist ein sehr großer Betrag, und natürlich wird es eine Weile dauern, bis Sie sich daran gewöhnt haben.« 
    »Wieviel ist es in Wirklichkeit?« fragte ich ihn, und diesmal kicherte er tatsächlich. Wenn ich da gewesen wäre, wo er war, Andy, ich glaube, dann hätte ich ihm einen Tritt in den Hintern versetzt.
    Er sagte es mir noch einmal, dreißig Millionen Dollar, und ich dachte, gleich ist meine Hand so taub, daß ich den Hörer fallen lasse. Und ich fing an, in Panik zu geraten. Es war, als wäre jemand in meinem Kopf, der ununterbrochen ein Stahlseil herumschwingt. Ich dachte dreißig Millionen Dollar, aber das waren nur Worte. Als ich versuchte, zu begreifen, was sie bedeuteten, war das einzige Bild, das mir in den Sinn kam, das von Dagobert Duck in den Comic-Heften, die Joe Junior Little Pete immer vorgelesen hatte, als er vier oder fünf war. Ich sah einen großen Speicher voller Münzen und Scheinen, aber es war nicht Dagobert Duck, der mit Gamaschen an den Flossen und einer kleinen runden Brille auf dem Schnabel in dem vielen Geld rumwühlte, sondern ich selbst
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