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Doktor im Glück

Doktor im Glück

Titel: Doktor im Glück
Autoren: Richard Gordon
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über mehrere bezaubernde Sehenswürdigkeiten, versichere ich dir. Ich bedauere, dir keine eingehende Führung bieten zu können, da dein Zug bereits um neun Uhr zehn zurückfährt.»
    «Dem Himmel sei Dank. Was schleppst du da, großer Gott?»
    «Chrysanthemen aus dem Treibhaus.»
    «Du siehst aus wie ein fahrender Blumenhändler ohne Karren.»
    «Ich glaube, es ist besser, wir verlassen den Bahnsteig. Einer meiner Patienten könnte mich am Ende sehen.»
    Ich brachte Petunia Bancroft zum Auto.
    «Hab schon ein paar recht komische Rollen in meinem Leben gespielt», klagte Petunia, als wir abfuhren, «aber die da grenzt an Irrsinn.»
    «Sie ist ganz einfach», redete ich ihr zu. «Du hast nur die zu spielen. Für eine so vollendete Schauspielerin wie dich, Liebling, ist das genauso leicht wie Theaterprogramme verkaufen.»
    «Wär ich nicht ohne Engagement, hätte ich mir die Sache zweimal überlegt, das kannst du mir glauben.»
    «Betrachte sie als Gelegenheit, dein ganzes Können einzusetzen.»
    «Ist meine Aufmachung richtig?»
    «Der Rolle hervorragend angepaßt.»
    «Ich hielt es für besser, mein Fußkettchen abzunehmen.»
    «Kann nicht behaupten, daß ich je eine Krankenschwester eins tragen sah.»
    «Und wenn dieser alte Knabe — wie heißt er doch gleich? — mir plötzlich einen Haufen Fragen mit ellenlangen medizinischen Ausdrücken stellt? Wie soll ich da zum Teufel antworten?»
    «Überlaß das nur mir. Er wird aber wahrscheinlich über nichts anderes als unsere Mumps-Epidemie plaudern. Dann brauchst du dich einfach nur an die Zeit zu erinnern, wo du ihn selbst gehabt hast.»
    «Ich hab aber nie Mumps gehabt.»
    «Ich auch nicht. Du kannst von Glück reden», lächelte ich. «Der hätte in deinen Hormonen schönes Unheil stiften können.»
    Sie fragte mich nach dem Grund, und so gab ich eine kurze Dissertation über die Pathologie und Virologie des Mumps von mir, bis wir vor dem Haus der Wattles einlangten.
    «Petunia», zischte ich ihr zu, «dein Stichwort.»
    Ich war recht unruhig, aber ich ließ es Petunia nicht merken. Ein weiteres nützliches Ding, das man im Medizinstudium lernt, besteht darin, nach allen Seiten hin fröhliche Zuversicht auszustrahlen, während man sich verzweifelt fragt, was demnächst Schreckliches passieren wird. Doch ich muß zugeben, daß Petunia die Rolle der Mrs. Grimsdyke hervorragend spielte. Binnen einer halben Stunde hatte sie das Pärchen um die Finger gewickelt.
    «Wo wurden Sie ausgebildet, meine Liebe?» fragte Dr. Wattle, als wir uns zum Essen setzten.
    «Oh, auf dem Konservatorium.»
    «Von einem Spital dieses Namens habe ich noch nie etwas gehört», sagte er verblüfft.
    «Das ist ein Spitzname des neuen Londoner Sanatoriums», mischte ich mich ein.
    «Wirklich? Du lieber Himmel, das wußte ich gar nicht. Was man heutzutage noch alles dazulernen muß! Und was fehlt diesem wichtigen Privatpatienten, den Sie, wie mir Ihr Gatte sagte, pflegen?»
    «Äh — Maul- und Klauenseuche.»
    «Gott behüte! Wie ungewöhnlich, daß ein Mensch davon befallen wird. Habe noch nie einen derartigen Fall in meinem Leben kennengelernt.»
    «Neuerdings eine allgemein verbreitete Krankheit», sagte ich.
    «Wirklich? Natürlich, Sie stehen in engerem Kontakt mit allem, was jetzt geschieht, als ich, Gaston. Wie scheußlich, so sehr hinter der Zeit einherzuhinken! Muß das beim nächsten Ärztetreffen Vorbringen. Sie haben wohl ausgedehnte Erfahrungen mit Mumpsfällen, meine Liebe?»
    Doch es gelang mir, die Konversation geschickt vom Fach wegzusteuern, und im weiteren Verlauf des Nachmittags fühlte ich, wie sich meine Sorgen in Nichts auflösten. Die Ideale des alten Pärchens blieben unangetastet, ich war nicht länger Zielscheibe des Ehemarktes und konnte Porterhampton gemütlich den Rücken kehren, sobald Miles sicher im St. Swithin unter Dach und Fach war. Und zudem hatte ich nun jederzeit eine passende Entschuldigung zur Hand, wenn mich die Lust anwandelte, ein Wochenende in London zu verbringen.
    «Mein Zug geht in etwa einer Stunde», erinnerte mich Petunia, als wir uns der kalten Abendplatte näherten.
    «Welch ein Jammer, daß Sie nicht länger bleiben können!» seufzte Mrs. Wattle.
    «Petunia muß um Mitternacht wieder ihren Dienst antreten», erklärte ich. «Ich könnte eigentlich schon den Wagen aus der Garage holen.»
    Ich öffnete die Eingangstüre, und eine widerliche Komplikation machte meinen schönen Plan zunichte.
    England würde wohl nicht England
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