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Doktor im Glück

Doktor im Glück

Titel: Doktor im Glück
Autoren: Richard Gordon
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Morgen.
    «Hab ab und zu nichts gegen eine Spritze Beethoven einzuwenden», gab ich zu.
    «Das freut mich sehr! Ich habe eine Karte für unser kleines Amateur-Orchesterkonzert nächsten Freitag im Rathaus. Möchten Sie sie haben?»
    Ich war froh, einen Anlaß zu finden, abends auszugehen, da ich jetzt all der Geschichten von den Burschen, die einander auf die komplizierteste Weise um die Ecke brachten, schon langsam müde war. Als ich mich inmitten der städtischen Palmenkübel niederließ, entdeckte ich Avril Atkinson auf dem Nebensitz.
    «Welch ein Zufall!» bemerkte ich.
    «Sie haben einen so ausgeprägten Sinn für Humor, Gaston! War's nicht schrecklich nett von Mrs. Wattle, uns die Karten zu schenken?»
    «Oh, aha, gewiß.»
    Die liebe alte Dame schien unter Vergeßlichkeit zu leiden, was ich auf die normalen hormonbedingten Wechselerscheinungen einer Frau ihres Alters zurückführte.
    Die nächsten Tage wurden durch die Erregung aufgehellt, die das jährliche Festessen der Ärzte, das große Ereignis der medizinischen Kreise Porterhamptons, hervorrief. Da die Wattles es als eine Kombination von Künstlerball und dem Bankett des Lord Mayor anzusehen schienen, tat ich dem lieben alten Pärchen den Gefallen, meinen Smoking anzulegen und sie zu begleiten, obwohl mich nichts so sehr deprimiert wie eine Ansammlung ärztlicher Kollegen. Gerade hatte ich's mir in meinem Sessel im Ballsaal des Kaufmännischen Hotels bequem gemacht, als ich entdeckte, daß ich neuerlich neben Avril Atkinson zu sitzen gekommen war.
    «Schrecklich nett von Dr. Wattle, mich einzuladen», begann sie. «Werden Sie eine Ihrer schrecklich lustigen Geschichten vortragen?»
    «Bedauere, nein. Aber der fette Bursche vor dem Mikrophon hat ein Bündel Papier von der Dicke eines Versteigerungskatalogs in der Rocktasche. Ist's nicht merkwürdig, wieviel Männer nach dem Nachtmahl zu sagen haben, und ihre Frauen kriegen jahrelang beim rühstück kein Wort aus ihnen heraus?»
    Sie kicherte. «Sie sind schrecklich witzig, Gaston!»
    «Warten Sie erst ab, was der Fette zu bieten hat.»
    Da der Gast an meiner anderen Seite über nichts anderes zu reden wußte als über das Befinden und die Wiederherstellung seiner Patienten, verbrachte ich die Mahlzeit in einem anspruchslosen Geplauder mit Avril, und nachdem die Wogen der Vortragsübungen verebbt waren, führte ich sie in meinem Wagen nach Hause.
    «Sie müssen unbedingt heraufkommen und Vati kennenlernen», förderte sie mich auf.
    Ihr Vater war ein recht umgänglicher alter Knabe, der mich mit Whisky und Soda bewirtete und dem staatlichen Gesundheitsdienst ein reges Interesse entgegenzubringen schien — er befragte mich über die Bezahlung und die Beförderungsaussichten junger praktischer Ärzte. Ich gab ihm Auskunft, berichtigte ein paar Irrtümer und fuhr schließlich mit dem angenehmen Gefühl nach Hause, daß ich meinen mir von den alten Wattles aufgebürdeten gesellschaftlichen Pflichten recht gründlich nachgekommen war.
    Ich bin offenbar eine vertrauensvolle Seele. Bei Pferderennen verkaufen mir wildfremde Leute erfolglose Tips um ein Pfund. Motorradfahrer sausen auf Zebrastreifen in Zentimeterabstand an mir vorbei. Ich zahle an dunkle Gestalten, die ich in Wirtshäusern treffe, bares Geld für wertlose Schecks. Kleine Jungen schicken mich reihenweise in den April. Wahrscheinlich war es der einschläfernden Wirkung des Lebens in Porterhampton zuzuschreiben, daß ich diesmal erst so spät in die Falle taumelte; es geschah an jenem Morgen, als ich gerufen wurde, das Mädchen in Rosa von der Party zu behandeln, das Mumps hatte.
    «Wann wird sie verlautbart?» fragte Miss Carmichael, als ich ihr das Thermometer aus dem Mund zog.
    «Was soll verlautbart werden?»
    «Spielen Sie nicht den Unschuldigen, Doktor! Jeder Mensch in Porterhampton weiß es doch seit Wochen. Ihre Verlobung mit Avril Atkinson natürlich.»
    «Mit Avril Atkinson!»
    Ich hob die Scherben des Thermometers vom Boden auf.
    «Hol mich der Teufel, das ist doch lachhaft! Ich kenn das Mädel kaum.»
    «Aber, aber! Sie werden ständig miteinander gesehen, bei Konzerten, Festessen und so weiter. Und als sie damals bei den Wattles zum Abendessen eingeladen war... Sie hat mir alles darüber erzählt. Den ganzen Abend sind Sie mit ihr im finsteren Zimmer auf dem Sofa gesessen — pfui!»
    Ich fuhr geradewegs nach Hause und stellte Mama Wattle.
    «Da hat die Fama wieder einmal nicht geruht», meinte sie zurückhaltend. «Aber ich freue mich
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