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Doktor auf Abwegen

Doktor auf Abwegen

Titel: Doktor auf Abwegen
Autoren: Richard Gordon
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einzelnen Gebäuden. An dessen Ende lag der Parkplatz der Fachärzte. Sir Lancelot fuhr auf seinen Platz und öffnete Amelia die Tür. «Hier sind wir.»
    «Mein Gott», sagte sie langsam. Sie trat vom Auto zurück, um den Anblick des Hospitals auf sich einwirken zu lassen. «Das kann ich gar nicht glauben.»
    «Sie werden zu würdigen wissen», sagte Sir Lancelot aalglatt, «daß selbst die Krankenhäuser unseres Landes, wie wir in jahrhundertelanger Tradition verwurzelt, oft interessante historische Monumente darstellen.»
    «Oh sicher. Aber dieses muß hier schon gestanden haben, als Stonehenge noch ein Bauplatz war.»
     

3
     
    Das Heilige-Grab-Hospital hatte der Gemeinde von Spratt’s Bottom für dreierlei Zwecke gedient. Als Oliver Twist nach Höherem strebte, war es das Arbeitshaus. Durch das Geisteskrankengesetz von 1890, das zuließ, daß alle sich merkwürdig benehmenden Personen hinter hohe Mauern gesteckt wurden, damit nicht die. Feinfühligkeit achtbarer Bürger verletzt werde, wurde es ein Irrenhaus. Im Ersten Weltkrieg verwandelte es sich in ein allgemeines Krankenhaus, das die menschlichen Überreste aus den Schützengräben aufnahm. Im Zweiten Weltkrieg verschwand es zur Hälfte unter Sandsäcken, als Feldlazarett für Opfer von Luftangriffen. Die großzügige Austauschbarkeit viktorianischer Architektur demonstrierte auf diese Weise die Anpassungsfähigkeit sämtlicher britischer Institutionen, von der Monarchie angefangen.
    «Es ist einhundertfünfzig Jahre alt.» Sir Lancelot versuchte Stolz in seine Worte zu legen. Ob Amelia am Ende die rostigen, abgesägten Gitterstäbe bemerken würde, die noch immer in den massiven Fenstern steckten? «Gewiß würde ihm ein wenig Anstrich nicht schaden», räumte er großzügig ein. «Aber es hat weniger zu bedeuten, wie ein Hospital aussieht, Ms.... äh, Amelia, als was es leistet. Erinnern Sie sich, das Penicillin wurde in einem engen Kämmerchen hinter dem Stationsgebäude von Paddington entdeckt.»
    Er führte sie zu dem baufälligen Haus, zwei Ambulanzwagen standen mit offenen Türen vor dem mit UNFALL bezeichneten Eingang. Ein kurzer, aber leidenschaftsloser Schrei drang von den nicht mehr sichtbaren Demonstranten im Vorhof zu ihnen herüber, während sie das düstere Gebäude betraten.
    «Wenn mich jemand Faschist genannt hätte, wäre ich aus dem Auto gesprungen und hätte ihm eine heruntergehauen», erklärte Amelia.
    «Vielleicht hätte ich das auch getan, aber mir fiel rechtzeitig der Rat eines Kollegen ein:     «Welcher Arzt war das?»
    «Somerset Maugham.»
    «Ich wußte gar nicht, daß er Arzt war.»
    «Er war’s. Bis zum Ende eines langen Lebens blieb er im Ärzteregister eingetragen. Er wäre durchaus berechtigt gewesen, als Geburtshelfer zu fungieren, hätte sich die Gelegenheit ergeben und hätte er es gewollt.» Sir Lancelot führte sie durch eine Tür. «Ich könnte mir vorstellen, daß Dr. Maugham ein sehr vernünftiger praktischer Arzt gewesen wäre. Als er in extremis lag, ließ er sich vom Krankenhaus in Nizza ins Schlafzimmer seiner Villa in Cap Ferrat zurückbringen. Es ist schlimm genug, unter Fremden krank zu sein. Ein Mensch hat das Recht, dort zu sterben, wo er gelebt hat.»
    «Ich verstehe Ihren Standpunkt», murmelte Amelia, als er sie durch die von geschäftigem Treiben erfüllte Unfallabteilung in die Wandelhalle des Hauptgebäudes führte. Sie blieb stehen und versank im Anblick der knallig senffarben gestrichenen Wände, auf denen Plakate hingen, die das Volk vor den Gefahren des Rauchens, übermäßigen Essens und wahllosen Liebens warnten. Der rote Plastik-Fußboden war mit einer dicken braunen Schicht bedeckt, von der zersprungenen und verschmutzten Decke hingen richtungweisende Pfeile herab. Diese zeigten, in Sir Lancelots bilderreicher Sprache ausgedrückt, den zur Verstärkung eintreffenden neuen Patienten den Weg zu den verschiedenen Abschnitten der Kampffront, während sich die alten mit ihrem Gepäck durch die verbeulte Eingangstür zurückzogen.
    «Sir Lancelot!» ertönte eine scharfe Stimme. «Ich muß auf der Stelle mit Ihnen sprechen.»
    Sir Lancelot stöhnte von neuem, aber nur innerlich. Inmitten der durcheinanderwirbelnden, irrenden, verängstigten und angsteinflößenden Menschenmasse in der schmalen Wandelhalle ragte wie ein mit Salzsäure blankgeputzter Leuchtturm Mrs. Florence
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