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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten
Autoren: Norbert Klugmann
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Familie. Die Fürstin Bengtsson zum Beispiel, die mochte jeder, denn bei der war es über Tische und Bänke gegangen, der Mann war einFilou, die Frau weinte ins Tuch, und als er sich aus dem Staub gemacht hatte, war sie nicht untergegangen, sondern hatte sich aufgerappelt. Ohne zu klagen, ohne Geld, aber mit dem Biss und dem Lebensmut, von dem der Adel seit langem am Leben gehalten wurde.

50
    Biss und Lebensmut brauchte die Fürstin Bengtsson in den folgenden Tagen. Es begann mit einer Nacht, in der es nie still wurde. Gestalten schlichen auf dem Grundstück herum, mit Knüppeln wurde an Stämme und Mauern geschlagen, Wolfsgeheul ließ die Nacht erzittern, aber es war Geheul, das aus menschlichen Kehlen stammte. In dieser Nacht machte die Fürstin kein Auge zu, und die Handvoll Bediensteter, die ihr geblieben war, auch nicht. Nach kurzer Besorgnis vor einem bevorstehenden Angriff wurde allen im Haus klar, dass sie eingeschüchtert werden sollten.
    Als das Geheul auch in der zweiten und dritten Nacht erklang, wussten sie, dass die Gegner einen langen Atem besaßen. Später wurden Türen beschädigt, aus den Angeln gehoben und an die Wand gelehnt. Niemand war in die Gebäude eingedrungen, aber die Botschaft war eindeutig: Wir könnten, wenn wir wollten.
    Die Fürstin beschwerte sich im Dorf. Von dort hatte sie keine Hilfe zu erwarten. Sie wandte sich an Halle und wusste im selben Moment, dass sie einen Fehler beging. In bemüht formellem Ton teilte man ihr aus dem Rathaus mit, dass an Hilfe nicht zu denken sei, denn Haus und Land der Fürstin lagen außerhalb des Halleschen Einflusses. Galgen-Dosse ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen, nach dem Schreiben auch noch persönlich vorzufahren. Die Genugtuung platzte aus jedem Knopfloch, als er der Fürstin klarmachte, dass man Verständnis für ihre Lage habe, aber an Recht und Gesetz gebunden sei. Man könne nicht jeden Halunken und Galgenstrick verfolgen, nur weil sich die Menschen im Augenblick großer Angst daran erinnerten, dass sie unter den Fittichen der beschützenden GluckeHalle vielleicht doch nicht so schlecht aufgehoben wären, wie sie zuvor lauthals getönt hatten.
    »Wir sind keine Schlechtwetter-Policey«, stellte Dosse klar. »Wir lassen uns nicht bei Sonnenschein verjagen und bei Regen herbeirufen. Uns kriegt man nur ganz oder gar nicht. Ihr habt Euch vor längerer Zeit für ›gar nicht‹ entschieden und müsst mit den Folgen leben. Nehmt mein aufrichtiges Beileid entgegen, aber da müsst Ihr nun durch. Wir wissen beide, was noch passieren kann: ein Pferdekopf vor der Tür, ein Feuerchen in der Scheune, der Misthaufen im Bett, ein nächtlicher Besuch, nach dem Ihr kostbare Möbelstücke vermissen werdet. Traurig, traurig, ich möchte nicht an Eurer Stelle sein. Aber – und das ist das Schöne – ich bin es ja auch nicht.«
    Nachts erwartete die kleine Schar von Bediensteten den Angriff, zwei hatten bereits gekündigt und waren mit einer Abfindung der Fürstin gegangen. Einer ging auf kürzestem Weg zu den Angreifern und verriet ihnen gegen Geld geheime Türen und Schwachstellen im Dach. Das erste Feuer wurde in letzter Minute gelöscht, das zweite Feuer fraß die Scheune auf.
    Während die Fürstin belagert wurde, saß Rohwedder im Salon und entwarf die künftige Nutzung von zwei Nebengebäuden, um dort Labore, eine Bibliothek und Arbeitsplätze für sechs Forscher einzurichten.
    »Wir müssen zusammenrücken«, sagte er, als ihm bewusst geworden war, dass seine künftigen Kollegen und er hier auch einen Schlafplatz brauchen würden. Und Bedienstete, die dafür sorgten, dass die Wissenschaftler von den Zumutungen des banalen Alltags befreit wurden.
    Ein Tischler aus dem Nachbardorf lieferte Pult, Tisch, Bücherschrank. Er stellte auch zwei Betten zur Auswahl ins Haus. »Probiert es aus«, sagte er. »Die Arbeit geht nur dann leicht von der Hand, wenn der Mensch ausgeschlafen ist. Und der Mensch schläft nur gut, wenn er gut gearbeitet hat.«
    Zwei Stunden war Rohwedder nicht im Haus, als er zurückkehrte, war alles, was der Tischler gebracht hatte, zerschlagen worden. Kein Stück war zu groß fürs Ofenloch. Sie waren am helllichten Tag gekommen, sie konnten jederzeit wiederkommen, die Fürstin erlitt einen Schwächeanfall. Rohwedder richtete sie auf. Wenn sie schlief, saß eine Wache vor der Tür. Die Stimmung im fürstlichen Anwesen war vergiftet, die Bediensteten verhielten sich eingeschüchtert, bis auf einen, der als Haudrauf bekannt war und
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