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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten
Autoren: Norbert Klugmann
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pathetisch.
    »Ich will damit gar nicht leben, du scheinheilige Natter.«
    Die Worte lösten bei allen eine Art Starre aus. Einen so ungeheuerlichen Angriff hatte man lange nicht gehört. Und dann noch unter Kollegen!
    Boff fuhr fort: »Ihr könnt das Ganze jetzt noch als Missverständnis unter den Teppich kehren. Das müsste aber auf der Stelle geschehen. Ich sehe Euren verstockten Gesichtern an, dass Ihr dem Vorschlag nicht näher treten wollt.«
    Sattler bat ums Wort: »Wenn Ihr die Vorwürfe nicht bis in die letzte Kleinigkeit ausräumt, seid Ihr die längste Zeit Stadtphysicus gewesen. Sind wir uns da einig?«
    Boff machte eine geringschätzige Handbewegung, die man von diesem sonst so kontrollierten Mann noch nie gesehenhatte. Bevor er sprach, stand er auf. Sitzend wäre er geplatzt. Dann begann er und hörte lange nicht auf, wobei er sich an Papieren orientierte, die er vor sich ausbreitete. Zuletzt eilte der Bote Lewerkühn herein und reichte Boff zwei weitere Dokumente. Der Bote schnappte sich Gebackenes vom Tisch und verließ kauend den Raum, kehrte zurück, raffte mehr Gebackenes an sich und verschwand endgültig.
    Boff ging systematisch vor. Die erste Frau war durch das Versprechen einer neuen Wohnung bestochen worden. Die Wohnung lag auf der anderen Straßenseite, zwei Zeugen nahmen die Bestechung auf ihren Eid, denn sie waren Zeugen des Gesprächs gewesen. Übermorgen sollte der Umzug stattfinden.
    Die zweite Frau, die mit den Geistern, war als Täuscherin und Betrügerin bekannt. Sie hatte zwei Männern die Heirat versprochen und sie um alle Ersparnisse gebracht. Sie hatte das Haus des Kaufmanns, der sie entlassen hatte, angezündet – alles weit im Osten, so dass man sicher sein konnte, dass sich nichts bis nach Halle herumgesprochen haben würde.
    Die dritte Frau hatte eine außereheliche Affäre mit einem Professor der Halleschen Universität. Dieser Mann war vor einigen Tagen erpresst worden. Die Täter hatten kein Geld von ihm gefordert, stattdessen sollte er die Frau genauestens instruieren. Zwei Tage und Nächte hatte er mit ihr Gespräche und Verhöre geführt und bei ihr mit Hilfe von starken Dosen beruhigender Mittel die entsprechenden Symptome erzeugt.
    Die vierte Frau, die mit dem abgestorbenen Arm, war vor einigen Wochen beim Holzsuchen gestürzt und hatte sich den Arm eingeklemmt. Weil sie sich für ihr Ungeschick schämte, hatte sie bei ihrem Besuch in Boffs Praxis den Arm verborgen gehalten. Später hatte man ihr in einem Eiskeller den Arm stark gekühlt und sich die Starre von einem nichtsahnenden Arzt bestätigen lassen.
    Die fünfte Frau nun, die mit der Fehlgeburt, war eine Trinkerin, ebenso wie ihr Mann. Beide schlugen sich regelmäßig,was Aussagen von acht Nachbarn bestätigten. Sie hatte ihm die Hand gebrochen, dafür hatte er ihr in den Bauch getreten, was zur Fehlgeburt geführt hatte.
    Für jeden der fünf in Frage stehenden Fälle legte Boff schriftliche Belege und Aussagen vor, insgesamt über vierzig. Er forderte die fünf Frauen auf, ihm zu bestätigen, dass sich alles so verhielt, wie er ausgeführt hatte. Sollten sie sich weigern, würde er die Unterlagen hinzufügen, die er einstweilen zurückgehalten habe. Mit ihrer Hilfe würden drei Frauen nicht um eine Gefängnisstrafe herumkommen, und eine andere würde von ihrem Ehemann mit anderen Augen gesehen werden.
    Boff setzte sich, schnappte sich einen Keks und sagte kauend: »Gut, dass wir uns bei Tänzers getroffen haben. Bei Sattlers hätte bestimmt nichts Anständiges auf dem Tisch gestanden.«

49
    Wäre er allein gewesen, hätte er den Sieg nicht gefeiert. Aber er war Menschen verpflichtet, die ihm geholfen hatte – in einem Ausmaß, das er nicht erwartet und insgeheim nicht für möglich gehalten hatte. Hermine hatte Ausgaben gehabt, denn so perfekt sie in der Stadt vernetzt war, so mittellos waren die meisten ihrer Informanten, bei denen es sich nicht nur um Frauen handelte. Dieses Netzwerk war sicher vor Entdeckung, denn es existierte in einer Welt, die akademischen Ärzten verschlossen war und deren Kenntnis sie auch nicht anstrebten. Unter Hermines Informanten befanden sich Bettler und Aussätzige, Herumziehende und ein Bürger, über den sie sich partout nicht auslassen wollte. Sie bat dafür um Verständnis, denn dieser Mensch sei in der Stadt nicht unbekannt. Wenn öffentlich würde, dass er mit Hermine gesprochen habe, würde er Sorgen bekommen. Von ihm stammten einige der wertvollsten Erkenntnisse, denn
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