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Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Doctor Boff - Weiberkranckheiten

Titel: Doctor Boff - Weiberkranckheiten
Autoren: Norbert Klugmann
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seinem Wartezimmer solche Bücher auf den Tischen. Die ersten Gänse und Enten waren stiften gegangen und flatterten durch die schmalen Gänge um ihr Leben, während begeisterte Hunde und wenig begeisterte Händler Jagd auf sie machten. Ein Dienstmädchen mit gefülltem Korb geriet ins Zentrum des Sturms, erst raubte ihr das Federvieh den sicheren Stand, danach rempelte sie ein Viehhändler gegen den Verkaufstisch des Gewürzhändlers. Hilflos mit den Armen flatternd, ging das Dienstmädchen zu Boden. Tänzer wollte helfen, doch der Mann mit der Narbe kam ihm zuvor. Tänzer war zu sehr Medicus, um diese Narbe übersehen zu können. Sie lief über die linke Schläfe und Wange und wohl noch weiter hinunter über den Hals. Dieser Mann war knapp dem Tod entkommen. Er kümmerte sich um das wimmernde Dienstmädchen und verdrängte den Älteren, ohne es zu bemerken.
    Da, wo geschlachtete Vögel in langer Reihe auf dem Tisch lagen, prügelten sich zwei Männer. Umstehende reichten ihnen tote Enten, mit denen sie herzhaft aufeinander einschlugen. Eshatte eine Zeit gegeben, in der es Tänzer ein Bedürfnis gewesen war, den Streit zu schlichten. Aus dieser Stimmung war er mit den Jahren herausgewachsen. Er drückte sich an dem Auflauf vorbei und warf keinen Blick zurück.

2
    Stine, die treue Seele, meldete einen Raum voller Patienten und einen Flur mit allen, die keinen Platz gefunden hatten. Vor vier Jahren hatte sie ihren Mann verloren, erschlagen beim Baumfällen. Seitdem trug sie schwarz. Tänzer nahm sich vor, mit ihr darüber zu sprechen. Vier Jahre waren genug, zumal sie nicht mehr traurig aussah. Es machte keinen guten Eindruck, in einer ärztlichen Praxis zuerst Kontakt mit einem Raben zu haben. Niemand hatte sich bei Tänzer darüber beklagt. Der Widerwille lag in ihm selbst. Die Atmosphäre war der erste Schritt, um gesund zu werden. Nicht jeder Patientin fiel es leicht, den Weg zu ihm zu finden. Er musste alles tun, um Zuversicht zu verbreiten. Er selbst war auch dunkel gekleidet, der Rock dunkelrot, die Weste senffarbiger, als es seine Frau mochte, die Hose graphitfarbig. Mancher fand ihn wohl zu bunt. Aber es waren gedeckte Farben, er trug sie seit Jahren, stets trug er ein Kleidungsstück weniger als Kaufleute und Advokaten. Und weil er teure Tuche wählte, hatte er lange Freude an ihnen. Er war aus dem Alter heraus, wo man den Moden hinterherhechelte.
    Tänzer mochte es nicht, sich mit Textilien vollzuhängen, in der Praxis legte er alles ab, was statthaft war. Der Mantel kam erst vom Schrank an den Körper, wenn der erste Frost eingezogen war. Er musste seriös aussehen, nur auf diese Weise sah er aus, wie sich die Menschen einen Medicus vorstellten. Er war kein Heiler. Bei einem Pfuscher kam es nicht darauf an, wie ein studierter Mann auszusehen. Niemand erwartete von einem Barbier und Zahnzieher, dass er seine Fertigkeiten studiert hatte.
    Der erste Patient des Tages war ein Mann. Streng genommen war das nicht in Ordnung, für Männer war Tänzer nichtzuständig. Aber der Mann besaß die vorwärtsdrängende Frechheit, die Tänzer insgeheim mochte. Er zeigte seinen Fuß vor und forderte den Doctor mehrfach auf, ihn zu berühren. »Man muss es spüren, um es zu glauben«, behauptete er. »Und meine gute Frau leidet an exakt dem gleichen schwarzen Fleck an der Sohle wie ich. Sie kann nicht auftreten, und wir haben keinen Wagen, so konnte sie nicht kommen, und ich zeige Euch alles, was Ihr wissen müsst, um mir das Rezept zu geben.«
    Tänzer blickte ihn streng an: »Ihr seid ein Lump und wisst es genau. Streitet es nicht ab, sonst komme ich mit Euch hinaus, und Ihr zeigt mir Eure arme Frau und ihren schwarzen Fleck.«
    Nun war es auf einmal kein Geschwür mehr, sondern Dreck oder eine Quetschung, bei der sich die Haut verfärbt. Stine kam mit einem Tuch und schrubbte, der lügende Patient genierte sich und sagte gewunden: »Nicht doch.«
    Stine sah den Stadtarzt an wie ein Hund, der von seinem Herrn das Kommando zum Angriff erwartet. Stine war hart zu sich und anderen Menschen. Sie fiel nicht um, wenn Blut und Eiter flossen. Sie floh nicht vor abgerissenen Gliedmaßen und besaß das segensreiche Talent, die Gespräche der Wartenden zu belauschen und sich alles zu merken, was Tänzer später Hinweise liefern konnte. Seitdem Stine die Patienten verwaltete, herrschte Ordnung. Ihrer Vorgängerin hatten sie auf der Nase herumgetanzt, bis sie selbst zur Patientin geworden war.
    Tänzer tastete den Fuß ab, der Mann
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