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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot
Autoren: George Elizabeth
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Mädchen hatte sie einen viel zu langen Schatten geworfen, und das jahrelang.
    Er fragte: »Und das ist alles? Kein ›Gut gemacht, Cadan‹? Oder ›Glückwunsch‹? Oder wenigstens ›Jetzt hast du mich aber echt mal überrascht‹? Ich habe einen Job gefunden, übrigens sogar einen gut bezahlten, aber das ist dir scheißegal, weil … Warum eigentlich? Ist er nicht gut genug? Oder weil er nichts mit Surfen zu tun hat? Er ist …«
    »Du hattest einen Job, Cadan. Du hast ihn vermasselt.« Lew trank den letzten Schluck Kaffee und stellte den Becher in die Spüle. Dort schrubbte er ihn gründlich, wie er es mit allen Dingen tat. Keine Flecken, keine Keime.
    »Das ist doch Blödsinn«, entgegnete Cadan. »Es war von Anfang an eine miserable Idee, für dich zu arbeiten, und das haben wir beide gewusst, selbst wenn du's nicht zugeben willst. Ich bin eben nicht so detailversessen. Das war ich noch nie. Ich hab dafür einfach nicht … ich weiß nicht … die Geduld oder was auch immer.«
    Lew trocknete Becher und Löffel ab und räumte beides weg. Dann wischte er die verschrammte alte Edelstahlspüle aus, obwohl nicht ein einziger Krümel darin zu entdecken war. »Das Problem mit dir ist: Du erwartest, dass alles im Leben Spaß machen soll. Aber so ist das Leben einfach nicht, und das willst du nicht einsehen.«
    Cadan wies auf den Garten und die Surfausrüstung hinaus, die sein Vater gerade vom Salzwasser gereinigt hatte. »Und dabei geht's nicht um Spaß? Du hast jede freie Minute deines ganzen Lebens damit zugebracht, Wellen zu reiten. Ist das denn was anderes? Eine Art nobles Streben, wie die Suche nach einem Aids-Medikament? Oder der Kampf gegen die weltweite Armut? Du machst mich fertig, weil ich tue, was ich tun will, aber hast du nicht immer genau das Gleiche getan? Nein, warte! Antworte nicht! Ich weiß schon. Bei allem, was du tust, geht es nur darum, einen zukünftigen Champion zu fördern. Ein Ziel zu haben. Während das, was ich tue …«
    »Gegen ein Ziel ist nichts einzuwenden.«
    »Nein, das stimmt. Und ich hab meins. Es ist eben nur ein anderes als deines. Oder Madlyns. Oder was einmal Madlyns war.«
    »Wo ist sie?«, fragte Lew.
    »Ich hab dir doch gesagt …«
    »Ich weiß, was du gesagt hast. Aber du wirst doch zumindest eine Ahnung haben, wo deine Schwester stecken könnte, wenn sie nicht zur Arbeit gegangen ist. Du kennst sie. Und ihn kennst du mindestens genauso gut.«
    »Hey. Häng mir das nicht an! Sie wusste, was er für einen Ruf hat. Das weiß doch jeder. Aber sie wollte ja auf niemanden hören. Außerdem geht es dir gar nicht darum, wo sie sich gerade aufhält, sondern allein um die Tatsache, dass sie aus der Bahn geworfen ist. So wie du.«
    »Sie ist nicht aus der Bahn geworfen.«
    »Das ist sie sehr wohl! Und was bleibt dir jetzt, Dad? Du hast deine Träume auf sie projiziert, statt deine eigenen zu leben.«
    »Sie wird wieder anfangen.«
    »Darauf würde ich nicht wetten.«
    »Untersteh dich …« Lew unterbrach sich abrupt.
    Sie starrten einander über die Küche hinweg an. Es waren nur drei Meter, aber gleichzeitig war es eine Kluft, die von Jahr zu Jahr breiter wurde. Jeder stand auf seiner Seite am Rand des Abgrunds, und Cadan kam es so vor, als würde einer von ihnen über kurz oder lang hineinstürzen.
    Selevan Penrule ließ sich auf dem Weg zum Clean-Barrel-Surfshop alle Zeit der Welt, denn er war zu dem Schluss gekommen, es wäre unziemlich gewesen, Hals über Kopf aus dem Salthouse Inn zu stürzen, sowie das Gerücht über Santo Kerne die Runde machte. Er hätte Grund genug dafür gehabt, aber er wusste, es hätte nicht gut ausgesehen. Außerdem war er in einem Alter, da man überhaupt nirgendhin mehr Hals über Kopf stürzte. Zu viele Jahre hatte er Kühe gemolken und die blöden Rindviecher von einer Weide zur anderen getrieben, sodass sein Rücken jetzt für alle Zeit krumm war und seine Hüften im Eimer. Mit achtundsechzig fühlte er sich wie achtzig. Er hätte fünfunddreißig Jahre eher verkaufen und den Caravanpark eröffnen sollen, und das hätte er auch getan, wenn er das Geld, den Schneid, die Vision, keine Frau und keine Kinder gehabt hätte. Sie alle waren jetzt fort, das Haus abgerissen und die Farm umfunktioniert. ›Sea Dreams‹ hatte er es getauft: vier ordentliche Reihen von Feriencaravans, die wie Schuhkartons auf den Klippen über der See standen.
    Er fuhr vorsichtig. Gelegentlich liefen Hunde über die engen Landsträßchen. Auch Katzen. Kaninchen.
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