Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot
Autoren: George Elizabeth
Vom Netzwerk:
jungen Mädchens weniger verdiente als Santo Kerne. Wenn denn Zuneigung bestand, war das ein gutes Zeichen, und aus genau diesem Grund hatte Selevan Penrule Santo Kerne in jüngster Zeit Zutritt zum Gelände von Sea Dreams gewährt. Er hatte ihm die Erlaubnis erteilt, die Abkürzung zu den Klippen und zum Meer zu nehmen; und wer mochte schon wissen, was daraufhin in Tammys Herz gedieh? Und das war doch das Ziel gewesen, oder? Dass Tammy gedieh und Ablenkung fand.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Selevan. »Ich weiß nur, dass Dr. Trahair reingekommen ist und zu Brian vom Salthouse Inn gesagt hat, dass Santo Kerne unten auf den Felsen in Polcare Cove liegt. Mehr weiß ich nicht.«
    »Das klingt nicht gut«, meinte Will Mendick.
    »War er draußen zum Surfen, Grandpa?«, fragte Tammy. Aber es war nicht ihr Großvater, den sie bei der Frage ansah. Ihr Blick war auf Will gerichtet.
    Das bewog Selevan, den jungen Mann ein wenig genauer in Augenschein zu nehmen. Will atmete ein bisschen komisch, stellte er fest, wie ein Sprinter, aber sein Gesicht war bleich geworden. Von Natur aus hatte er eine frische Farbe, darum fiel es auf, wenn ihm das Blut aus den Wangen wich.
    »Keine Ahnung, was er dort getrieben hat«, gab Selevan zurück. »Aber fest steht: Irgendetwas ist ihm passiert. Und es sieht schlimm aus.«
    »Wieso?«, fragte Will.
    »Weil sie den Jungen kaum allein dort auf den Felsen hätten liegen lassen, wenn er nur verletzt gewesen wäre und nicht …« Er hob die Schultern.
    »Doch nicht etwa tot?«, fragte Tammy leise.
    »Tot?«, wiederholte Will.
    »Du gehst jetzt besser, Will«, fuhr Tammy herum.
    »Aber wie soll ich …«
    »Dir fällt schon was ein. Los jetzt. Wir gehen ein andermal Kaffee trinken.«
    Das war anscheinend alles, was er hören wollte. Will nickte Selevan zu und wandte sich zur Tür. Im Vorbeigehen berührte er Tammy an der Schulter. »Danke, Tammy«, murmelte er noch. »Ich ruf dich an.«
    Selevan versuchte, das als gutes Zeichen zu werten.
    Das Tageslicht schwand rasch, als Detective Inspector Bea Hannaford in Polcare Cove eintraf. Als ihr Handy geklingelt hatte, war sie gerade dabei gewesen, für ihren Sohn ein Paar Fußballschuhe zu erwerben, und hatte daraufhin den Kauf schnellstmöglich abgewickelt, ohne Pete Gelegenheit zu geben, jedes weitere verfügbare Paar anzuprobieren, wie er es sonst üblicherweise tat. Sie hatte ihm angedroht: »Entweder wir kaufen sie jetzt, oder du kommst ein andermal mit deinem Vater wieder.« Das hatte gewirkt. Sein Vater hätte ihm das preiswerteste Paar aufgezwungen, und zwar ohne auch nur die Spur einer Debatte zuzulassen.
    Eilig hatten sie das Schuhgeschäft verlassen und waren durch den Regen zum Auto gehastet. Unterwegs hatte sie Ray angerufen. Er war heute Abend zwar nicht mit Pete an der Reihe, aber Ray war flexibel. Er war selbst Polizist und wusste, welche Anforderungen dieser Job stellte. Er werde sie in Polcare Cove treffen, hatte er vorgeschlagen. »Ist einer gesprungen?«, fragte er.
    »Weiß ich noch nicht«, antwortete sie.
    In diesem Teil der Welt waren Leichen am Fuß der Klippen leider keine Seltenheit. Dummköpfe wählten sich bröckelige Steilwände zum Klettern, andere traten zu nah an den Rand und stürzten, und wieder andere sprangen. Bei Flut kam es vor, dass die Leichen niemals gefunden wurden. Bei Ebbe hatte die Polizei wenigstens die Chance herauszufinden, wie sie dort unten gelandet waren.
    »Da ist bestimmt alles blutüberströmt«, plapperte Pete aufgeregt. »Wahrscheinlich ist der Kopf aufgeplatzt wie ein faules Ei, und sein Hirn und die Gedärme sind überall verteilt.«
    »Peter!« Bea warf ihm einen strengen Blick zu. Er lehnte lässig gegen die Beifahrertür, die Einkaufstasche mit den Schuhen an die Brust gepresst, als fürchtete er, irgendwer könnte sie ihm wieder entreißen. Er hatte Pickel im Gesicht – der Fluch der Pubertät, erinnerte sich Bea, obwohl ihre eigene schon vierzig Jahre zurücklag – und trug eine Zahnspange. Wenn sie sich den vierzehnjährigen Jungen so betrachtete, war es ihr unmöglich, den Mann in ihm zu sehen, der er eines Tages werden würde.
    »Was denn? Du hast doch selbst gesagt, da ist einer ab über die Klippen. Ich wette, er ist mit dem Kopf voraus gefallen, und sein Schädel ist geplatzt. Ich wette, er ist gesprungen. Ich wette …«
    »So würdest du nicht reden, wenn du auch nur ein einziges Mal jemanden gesehen hättest, der von der Klippe gestürzt ist.«
    »Krass«, flüsterte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher