Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dir ergeben - Band 2 Roman

Dir ergeben - Band 2 Roman

Titel: Dir ergeben - Band 2 Roman
Autoren: J Kenner
Vom Netzwerk:
schwer es für ihn sein muss, sich zu erinnern, mir zu erzählen, was damals passiert ist. Aber ich muss es wissen, ja möchte es von Damien persönlich hören. Ich hoffe inständig, dass er sein Geheimnis diesmal lüften wird.
    »Damien?«
    Er dreht sich nicht um, rührt sich nicht von der Stelle. Aber ich höre seine Stimme, leise und gefasst. »Es hat angefangen, als ich neun war: Dass er mich angefasst, mir gedroht hat. Ich werde dir keine Details erzählen, denn ich will die Bilder nicht erneut heraufbeschwören und auch dich nicht damit belasten. Es genügt, wenn ich dir sage, dass es schrecklich war. Ich habe ihn gehasst. Ich habe meinen Vater gehasst. Und ich habe mich selbst gehasst. Nicht, weil ich mich geschämt hätte – ich habe mich nie geschämt. Sondern weil ich ihn nicht daran hindern konnte.« Er dreht sich zu mir um. »Damals habe ich gelernt, wie wichtig es ist, Macht zu haben. Nur durch Macht kann man sich schützen, und damals hatte ich noch keine Macht.«
    Ich nicke unmerklich, habe Angst, ein Wort oder eine Geste zu viel könnten ihn verstummen lassen.
    »Das Ganze hat sich jahrelang hingezogen. Ich wurde größer und kräftiger, aber er war ein Hüne, und je älter ich wurde, desto mehr Drohungen bekam ich zu hören. Er hatte Fotos. Und es gab …« Er schweigt und holt tief Luft. »Es gab noch andere Dinge, mit denen er mir gedroht hat.«
    »Und dann?«, sage ich sanft. Ich will nicht, dass er all das noch einmal durchleben muss. Ich will nur wissen, was in der Nacht passiert ist, in der Richter gestorben ist.
    »In all den Jahren hat er mich nie – er hat mich nie ver­gewaltigt.« Seine Stimme ist so leise und monoton, dass ich Gänsehaut bekomme. »Als ich vierzehn war, waren wir in einer Tennishalle in München. Eines Abends bin ich hoch zu den Tennisplätzen auf dem Dach – warum, weiß ich nicht mehr. Ich konnte nicht schlafen, war nervös oder so. Er ist mir gefolgt. Er hatte getrunken, ich roch seine Fahne. Ich wollte wieder nach unten gehen, doch er hat mir den Weg abgeschnitten. Er hat versucht – zum ersten Mal versucht –, seine kranken Spielchen weiterzutreiben.« Damien sieht mir in die Augen. »Und das habe ich nicht zugelassen.«
    »Du hast ihn vom Dach gestoßen?« Ich kann kaum noch etwas hören, so laut rauscht mir das Blut in den Ohren.
    »Nein.«
    Ich bin verwirrt. »Was ist passiert?«
    »Wir haben gekämpft. Ich habe ihn mit meinem Schläger getroffen. Er hat ihn mir aus der Hand gerissen, mir damit einen Schlag auf den Hinterkopf gegeben. Ich kann von Glück sagen, dass die Wunde unentdeckt blieb, sonst hätte mir die Polizei damals bestimmt eine Menge unangenehmer Fragen gestellt. Aber es war ein heftiger Kampf, und wir befanden uns ganz nah am Rand des Daches, in einem Bereich ohne Maschendrahtzäune, um die Bälle abzufangen. Ich weiß nicht genau, was passiert ist. Er hat einen Satz auf mich zu gemacht, und ich habe nach ihm getreten. Er ist nach hinten getaumelt und dann über etwas gestolpert – was das war, weiß ich bis heute nicht. Er war betrunken, vielleicht ist er über seine eigenen Füße gestolpert. Er ist über das Geländer gefallen, schaffte es aber, sich an der Dachrinne festzuhalten. Er hing dort, und ich war wie erstarrt, konnte mich nicht von der Stelle rühren. Er hat nach mir gerufen, mich angefleht, ihm zu helfen.«
    Ich halte die Luft an.
    »Ich stand einfach nur da. Er hat nach mir geschrien, und ich weiß noch, wie meine Wunde am Hinterkopf gepocht hat. Aber ich bin einen Schritt auf ihn zugegangen. Einen Schritt, und dann bin ich stehen geblieben. Anschließend ist er in die Tiefe gestürzt.« Er schließt die Augen, und ich sehe, dass er am ganzen Leib zittert. »Ich bin zurück auf mein Zimmer, habe aber kein Auge zugetan. Am nächsten Morgen ist der Hilfs­trainer mit der Nachricht hereingeplatzt, dass Richter tot ist.«
    »Dafür kann man dich doch unmöglich verurteilen!«, sage ich. »Du hast nichts Falsches getan.«
    »Ich hätte ihn noch retten können«, sagt er. »Ich hätte einfach schneller bei ihm sein müssen, dann hätte ich es noch geschafft.«
    »Fühl dich nicht schuldig deswegen!«, erwidere ich.
    Als er mich ansieht, ist sein Blick eisig. »Das tue ich auch gar nicht. Ich fühle mich keine Sekunde schuldig.«
    »Damien, begreifst du denn nicht, dass du das einfach nur der Polizei erzählen musst?«
    »Alles? Auch das mit dem Missbrauch?«
    »Ja«, sage ich.
    »Nein.«
    »Aber …«
    »Nikki, ich habe Nein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher