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Dieses Buch gehört meiner Mutter

Dieses Buch gehört meiner Mutter

Titel: Dieses Buch gehört meiner Mutter
Autoren: Erich Hackl
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Menschen begleiten, wie in seiner Kindheit. »Einmal noch möchte ich ein Kind sein wie vor 56   Jahren.« Eine solche Sehnsucht war meiner Mutter unbekannt, auch wenn sie bis zuletzt nicht loskam von dieser Welt, erzählend und in Träumen, die sie ebenfalls erzählte. Sie verdammte ihre ersten fünfundzwanzig Lebensjahre nicht, aber die Erinnerung an sie war ihr kein Trost. Die Erfüllung suchte sie in der Gegenwart, die ihr die längste Zeit knapp zu werden drohte. Sie war bemüht, nicht aufzufallen, sich den üblichen Konventionen zu fügen. Aber sobald sie erzählte, waren Vorurteile, die sie weiterhin plagten, schlagartig verschwunden. Auch deshalb gehört dieses Buch meiner Mutter.
    Den Titel habe ich mir von Bettina von Arnim ausgeborgt. Dies Buch gehört dem König handelte von geistigen und materiellen Mißständen. Davon ist auch hier die Rede, aber nicht ausschließlich und vielleicht nicht einmal zum überwiegenden Teil. Ich wollte auch zeigen, wie es Menschen trotz Armut und Mühsal gelingt, sich über die fremdbestimmten wie selbstverschuldeten Verhältnisse zu erheben, für einen Moment oder länger. Mit List und Humor, oder aus Mitleid, auch mit sich selber. Ich halte mich dabei an die Geschichten meiner Mutter, nehme mir aber die Freiheit, ihr Einsichten zu gestatten, die sie nicht auszudrücken vermochte oder zu denen sie nie gelangt [113]  ist. Die Freiheit, ihr mein Gewissen anzudichten. Ich glaube nicht, daß sie oder mein Vater dagegen Einspruch erheben würde. Ich habe dieses Buch, wenn man so will, mit ihr und nicht gegen sie geschrieben. Mir ist dabei manches in ihrem, in meinem und im Dasein anderer klarer geworden. Auch deshalb gehört es ihr. Aber lesen mögen es andere.

[115]  GLOSSAR FÜR BEGRIFF-STUTZIGE
abhausen
pleite gehen
Beistand
Trauzeuge
Blunzn
Blutwurst; hier: dumme Frau
Butte
Rückentrage
dasig
benommen
Dirn
Magd
Einlegerin
Gemeindearme oder ausgediente Magd, die von Bauern der Reihe nach in Kost und Quartier genommen wurde
Einschicht
abgelegene Gegend
Fluder
Gerinne aus Holz
Fotzen
Ohrfeige
gallig
fett
heimdrehen
abmurksen
Hutsche
Schaukel
Joch
Flächenmaß; 1   Hektar = 1,74   Joch
Kooperator
Kaplan, Vikar
Krampe
Spitzhacke
Krampus
Schreckgestalt mit Teufelsfratze, die den Nikolaus begleitet und unartige Kinder bestraft
Kruckenkreuz
Kreuz mit Querbalken an allen vier Enden; Symbol des austrofaschistischen Ständestaates (1933   –   1938) und seiner Einheitspartei, der Vaterländischen Front
ledig werden
sich losreißen
lumpen
zechen
Mutterkorn
giftiger Getreidepilz
[116]  Nikolaus
gütige Gestalt mit Bart und Bischofsmütze, die am Abend des 6.   Dezember artige Kinder beschenkt
Otto
Otto von Habsburg-Lothringen (1912   –   2011); Sohn Karls 1., des letzten Kaisers der Donaumonarchie
Pappen
Maul
picken
kleben
Plache
Plane
Provisor
für die Seelsorge während einer Pfarrvakanz verantwortlicher Priester
Schüppel
kleine Schar
Speige
Spalte, Schnitz
einen Stern reißen
stürzen
Stock 
hier: Stumpf
Stör
Arbeit von Wanderhandwerkern im Haus ihrer Kunden
Streuboden
Schüttboden; Speicher, auf dem Getreide oder Stroh lagert
stritten
wühlen; hier: schieben, stopfen
Wenderin
Natur- oder Geistheilerin
Wimmerl
Pickel, Pustel

Foto: © Pedro Timón Solinís
     
    ERICH HACKL , geboren 1954 in Steyr, hat Germanistik und Hispanistik studiert und ein paar Jahre lang als Lehrer und Lektor gearbeitet. Seit langem lebt er als freier Schriftsteller, Publizist und Übersetzer in Madrid und Wien. Seinen Erzählungen, die in 25   Sprachen übersetzt wurden, liegen authentische Fälle zugrunde. Auroras Anlass und Abschied von Sidonie sind Schullektüre.
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