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Diese Sehnsucht in meinem Herzen

Diese Sehnsucht in meinem Herzen

Titel: Diese Sehnsucht in meinem Herzen
Autoren: Jen Safrey
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Holzdielen landeten.
    „He! Beruhigt euch mal wieder!“ flüsterte Josey eindringlich, denn schließlich standen sie kurz vor der Aufführung. Allerdings beachtete niemand die Worte der Lehrerin. Da sah Josey sich gezwungen, zu drastischeren Mitteln zu greifen: Sie steckte zwei Finger in den Mund und pfiff kräftig.
    Zahlreiche Kinder hielten sich die Ohren zu. „Aua, Miss St. John!“
    „Okay, Leute“, begann sie, breitete die Arme aus und wartete, bis sich alle Kinder um sie versammelt hatten. Dann zählte sie die Köpfe und war beruhigt.
    „Gebt einfach euer Bestes. Wenn ihr mal den Text vergesst, dann macht das gar nichts. Wir wollen doch heute einfach unseren Spaß haben, oder?“
    Alle nickten und wirkten auf einmal ganz ernst in ihren unförmigen Kostümen mit den bunten Federn und den aufgemalten Schnurrhaaren.
    „Außerdem“, fügte Josey augenzwinkernd hinzu, „bin ich die ganze Zeit vor der Bühne, wie ich euch das schon heute Morgen gezeigt habe. Falls ihr mal nicht weiterwisst. Und unsere Probe heute war doch schon mal ganz große Klasse, oder?“
    Die Kinder nickten begeistert.
    Als alles so weit in Ordnung schien, nahm Josey die Hand eines kleinen Löwen namens Jeremy und ging mit ihm an den Bühnenvorhang heran. Dann legte sie Jeremys Hand – eigentlich eher eine goldgelbe Pfote – an die richtige Stelle des Vorhangs, so dass er nicht erst danach zu suchen brauchte. Schnell nahm Josey ihren Platz vor der Bühne ein, und es konnte losgehen.
    Ein Raunen ging durch das Publikum, als sich Jeremy durch die Öffnung im Bühnenvorhang schob. Die Eltern bestaunten das Kostüm des Jungen.
    „Liebe Moms und Dads“, setzte Jeremy an, und Josey war erleichtert darüber, dass er daran gedacht hatte, schön laut zu sprechen. „Die dritte Klasse von Miss St. John zeigt euch jetzt das Stück Wilde Moms. Die erste Szene spielt im Zoo.
    Da wollen alle Tiere Muttertag feiern.“ Spontan fauchte Jeremy wie ein Löwe und brachte damit das ganze Publikum zum Lachen. Dann ging er links von der Bühne ab. Ein Sechstklässler, den Josey angeheuert hatte, zog den Vorhang auf.
    Das Stück lief erstaunlich gut. Die kleine Jamie Cranston hatte ihren Text vergessen, und Josey flüsterte ihr die Worte zu. Jamie war eines der pfiffigsten Kinder in der Klasse, und es war ihr offenbar schrecklich peinlich, dass sie als Einzige die Hilfe der Lehrerin gebraucht hatte. Josey beobachtete, wie die Kleine niedergeschlagen hinter der Bühne verschwand, und nahm sich vor, hinterher noch einmal mit Jamie zu reden und ihr zu sagen, wie tapfer sie gewesen war.
    Doch dann stellte sie fest, dass das gar nicht nötig sein würde.
    Kurze Zeit später nahm sie nämlich aus dem Augenwinkel Jamies Eltern wahr.
    Sie gingen ganz leise die Stufen am rechten Bühnenrand hinauf und schlüpften an dem schweren schwarzen Vorhang neben der Bühne vorbei. Im Publikum schien sie niemand zu bemerken, die anderen Eltern schenkten ihre Aufmerksamkeit ganz den eigenen Kindern.
    Der schwarze Vorhang schloss sich nicht vollständig hinter Mrs. und Mr.
    Cranston, so dass Josey sie durch den schmalen Spalt weiter beobachten konnte.
    Sie sah, wie die beiden auf ihre unglückliche Tochter zugingen und Mr. Cranston Jamie schließlich auf den Arm hob. Mr. Cranston pustete seiner Tochter eine blonde Haarsträhne vom Ohr und flüsterte ihr etwas zu. Ein leises Lächeln huschte über das Gesicht des Mädchens. Nun beugte sich auch die Mutter zu Jamie und fügte noch etwas hinzu. Jamies Lächeln wurde breiter. Richtig glücklich sah sie aus, als sie das Gesicht an die Schulter ihres Vaters schmiegte.
    Und als sich Mrs. Cranston nun zu ihrem Mann beugte, wusste Josey instinktiv, was sie gerade zu ihm sagte – Ich liebe dich.
    Als der Vorhang fiel, sprangen alle Eltern auf, klatschten und pfiffen vor Begeisterung. Josey erklomm die Bühne, schlüpfte durch den Vorhang und stellte die Kinder nebeneinander auf, damit sie alle zusammen nach draußen gehen und sich vor dem Publikum verneigen konnten. Sie nickte ihrer Bühnenhelferin zu, damit sie den Vorhang wieder aufzog. Blitze flammten auf und Camcorder surrten, als Josey mit ihren fleißigen und mittlerweile ziemlich erschöpften Schülern den Applaus entgegennahm.
    Eigentlich hatte sie erwartet, dass sie wie immer vor Stolz fast platzen würde, doch stattdessen fühlte sie sich bloß einsam und leer. Als hätte sie in ihrem Leben etwas verpasst. So etwas hatte sie noch nie erlebt.
    Der Anrufbeantworter blinkte
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