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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)
Autoren: Justin Cronin
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später sagte sie: » Wissen Sie, Sie sind nicht ganz das, was ich mir vorgestellt habe, das muss ich sagen.«
    » Nicht?«
    » Ich meine es nicht nachteilig«, sagte Rachel beruhigend. » So habe ich es überhaupt nicht gemeint. Ehrlich, Sie sind bildhübsch. Ich wünschte, ich hätte auch so eine Haut.«
    » Inwiefern bin ich dann anders?«
    Sie zögerte und wählte die Worte sorgfältig. » Ich dachte, Sie wären irgendwie… jünger.«
    Sie fuhren weiter. Nach ihrer unvermittelten Ankunft hier war Amy ein bisschen desorientiert, und sie nahm alles nur gedämpft wahr. Doch nach und nach öffnete ihr Geist sich für die Umstände, und die Eindrücke und ihre Reaktionen darauf wurden klarer. Wie merkwürdig das alles war, dachte Amy. Wie überaus merkwürdig. Sie waren in dem Schiff, in der Chevron Mariner, aber sie war sich dessen physisch nicht bewusst. Wie vorher mit Wolgast erschien die Szene in allen Details absolut handfest und real. Vielleicht war s ie j a real in einem anderen Sinne des Wortes. Was war schon » real«?
    » Hier habe ich mit ihm angehalten– damals.« Rachel deutete aus dem Fenster auf einen Block mit Geschäften. » Irgendwie war ich auf den Gedanken verfallen, er könnte Doughnuts wollen. Doughnuts, können Sie sich das vorstellen?« Bevor Amy eine Antwort zusammenbekam, redete sie schon weiter. » Ach, was kurve ich hier überall mit Ihnen herum. Dabei wissen Sie sicher über alles Bescheid. Und Sie müssen auch müde sein nach einer so weiten Reise.«
    » Das ist okay«, sagte Amy. » Es stört mich nicht.«
    » Oh, ich werde nie vergessen, wie er dastand.« Rachel schüttelte betrübt den Kopf. » Der arme Mann. Mir ging einfach das Herz auf. Rachel, habe ich zu mir gesagt, du musst etwas tun. Einmal in deinem kleinen Leben musst du dich aufraffen. Aber natürlich dachte ich in Wirklichkeit nur an mich selbst wie immer. Und das ist der Punkt. Was ich in dieser Hinsicht zu bereuen habe, genügt für hundert Menschenleben. Ich hatte ihn nicht verdient. Kein Stück.«
    » Ich glaube nicht, dass er das so sieht.«
    Rachel fuhr langsamer und bog in eine Wohnstraße ein. » Es ist wirklich wunderbar, wissen Sie. Was Sie da tun. Er war so lange allein.«
    Einen Augenblick später hielten sie vor dem Haus. » Tja, da sind wir«, verkündete sie in munterem Ton. Sie hatte den Schalthebel in Parkstellung gelegt, aber den Motor laufen lassen, genau wie Wolgast es getan hatte. » Es war mir eine Freude, Sie endlich kennenzulernen, Amy. Passen Sie auf beim Aussteigen.«
    Amy zögerte. » Warum kommen Sie nicht mit? Ich weiß, er würde Sie gern sehen.«
    » O nein«, sagte Rachel. » Es ist nett, dass Sie darum bitten, aber so läuft das nicht, fürchte ich. Es ist gegen die Regeln.«
    » Gegen welche Regeln?«
    » Na ja, die… Regeln eben.«
    Amy wartete, aber es kam nichts mehr, und ihr blieb nichts anderes übrig, als auszusteigen. In der offenen Tür blieb sie stehen und sah Rachel an, die mit den Händen auf dem Lenkrad wartete. Die Luft war schwer und warm unter dem grünen Baldachin der Bäume. Insekten summten überall, und ihre helle, chaotische Musik klang wie ein Orchester beim Stimmen.
    » Sagen Sie ihm, ich denke an ihn, ja? Sagen Sie ihm, Rachel schickt ihm liebe Grüße.«
    » Ich verstehe immer noch nicht, warum Sie nicht mitkommen können.«
    Rachel schaute an ihr vorbei und über das Armaturenbrett zum Haus. Es sah aus, als suche sie etwas, dachte Amy. Ihre von plötzlicher Trauer verschleierten Augen verweilten auf jedem der vielen Fenster. Tränen erschienen in den Augenwinkeln.
    » Ich kann es nicht, wissen Sie, weil es keinen Sinn ergäbe.«
    » Warum ergäbe es keinen Sinn?«
    » Weil, Amy«, sagte sie, » weil ich schon da bin.«
    Sie fand ihn bei den Blumenbeeten. Er kniete auf der Erde und arbeitete. Eine Schubkarre stand in der Nähe, und auf den Beeten waren dunkle Mulchhaufen, die einen schweren Erdgeruch verströmten. Als sie näher kam, stand er auf, nahm seinen breitrandigen Strohhut ab und zog die Handschuhe aus.
    » Miss Amy, Sie kommen genau im richtigen Moment. Ich habe mir gerade überlegt, ob ich mit dem Rasen anfangen soll, aber ich schätze, der kann noch warten.« Er deutete mit seinem Hut zur Terrasse, wo die Eisteegläser schon warteten.
    Sie setzten sich an den Tisch. Amy hob das Gesicht zu den Baumkronen und ließ sich von der Sonne wärmen. Der Duft von Gras und Blumen füllte ihre Sinne.
    » Dachte mir, so fühlen Sie sich wohler«, sagte Carter. »
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