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Die zweite Nacht

Die zweite Nacht

Titel: Die zweite Nacht
Autoren: Natalie Rabengut
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einzuholen. Auf der Treppe nach oben – meine Oberschenkel zitterten vor Erschöpfung – ging ich in meinem Kopf den nahezu unerschöpflichen Vorrat an Schimpfwörtern durch, die ich kannte. Es waren eine ganze Menge. Und doch reichten sie nicht im Ansatz, um meinem Zorn und meiner Frustration Ausdruck zu verleihen.
    Unter der Dusche seifte ich mir energisch die Haare ein und schäumte dabei beinahe selbst vor Wut. Wer brauchte schon Männer? Pah, so ein doofer Idiot!
    Nachdem ich mich in meinen Pyjama geworfen hatte, der aus einer langen Stoffhose und einem Trägeroberteil bestand, stand ich unschlüssig im Wohnzimmer. Couch oder Computer? Das Klopfen an der Tür riss mich aus dem Grübeln.
    Obwohl ich die ganze Woche darauf gewartet hatte, zuckte ich zusammen. Es konnte nur Frederik sein und ich musste meine ganze Konzentration aufbringen, um ihm mit einer neutralen Miene zu öffnen.  
    Er ließ seine Augen über mich gleiten und sagte: »Sehr gut, du hast nichts mehr vor. Salat?«
    Damit schob er sich an mir vorbei und stellte eine große Schüssel auf den Küchentisch. Ich stand noch immer vor der offenen Tür, unfähig, mit so viel Unverfrorenheit umzugehen. Er war ja schlimmer als ich. Es schien ihn überhaupt nicht zu interessieren, ob ich zustimmte oder nicht, wenn er etwas vorschlug. Hatte ich eine Einladung auf meiner Stirn gedruckt?
    »Ich dachte, nach dem Lauf könntest du ein paar Kohlenhydrate gebrauchen und ich nehme dein Angebot an.«
    Mein Gehirn wusste nicht, welche Information es zuerst verarbeiten sollte. Spontan beglückwünschte ich mich als erstes zu der Entscheidung, mir die Beine und alle anderen relevanten Körperteile rasiert zu haben. Erst dann war ich in der Lage, die Tür zu schließen.  
    Mit einem Seufzen ließ ich mich auf den Küchenstuhl sinken. »Ich nehme an, du willst vorher bestimmt darüber reden.« Dabei warf ich einen Blick in die Schüssel. Nudelsalat, interessant. »Hattest du Besuch von deiner Mutter?«
    »Ich kann alleine für mein Essen sorgen. Hier für dich.« Er hielt mir eine Plastiktüte hin.
    Zögernd ergriff ich sie. Der Inhalt war flach und nicht warm, also vermutlich kein totes Tier. Vorsichtig sah ich hinein. »Was ist das?« Ich drehte mich verwirrt um, denn er war schon wieder an meinem Küchenschrank zugange.  
    »Das sind Reflektoren, du kannst sie einfach um deine Arme wickeln, bevor du das nächste Mal laufen gehst.«
    Mit spitzen Fingern zog ich die neongelben Streifen hervor und fühlte mich schrecklich bevormundet dabei. »Wieso sollte ich das tun?«
    »Weil ich dich darum bitte.« Die schlichten Worte machten mich sprachlos.
    »Hm.«
    »Wirst du sie tragen?« Sein eindringlicher Blick lag auf meinem Gesicht.
    Ich zog eine Grimasse, als hätte ich Zahnschmerzen. »Von mir aus.«
    Zufrieden nickte er und stellte die Teller auf den Tisch. Mit einem großen Löffel – ich hatte gar nicht gewusst, dass ich einen solchen besaß – verteilte er den Nudelsalat. Kaum hatte er mir eine Portion hingeschoben, meldete sich mein Magen lautstark.
    »Hast du niemanden, der auf dich aufpasst? Scheinbar bist du ja nicht einmal in der Lage, alleine regelmäßig zu essen. Das Abbild der zerstreuten Schriftstellerin.«
    Meine Fingerknöchel traten weiß hervor, so fest umklammerte ich die Gabel. »Zu deiner Information: Ich bin hochgradig organisiert. Abgesehen davon lassen sich alle anderen meistens von meinem unfassbaren Charme in die Flucht schlagen.«
    »Soso.« Er schob sich Nudelsalat in den Mund und wieder funkelten seine Augen merkwürdig.  
    Mehr hatte er dazu nicht zu sagen? Entnervt schob ich den Salat auf meinem Teller zusammen und probierte ihn endlich. Erstaunt riss ich die Augen auf. Das war köstlich.  
    »Der ist gut«, rang ich mir ab und versuchte dabei, höflich zu lächeln.
    »Ich weiß, ich habe viele Talente.« Seine Worte drangen ohne Umschweife in meinen Unterleib. Und ob er die hatte! Ich war sofort bereit, das notfalls vor Gericht zu bezeugen.  
    »Ich kann mir die Antwort zwar denken, aber ich frage sicherheitshalber nach: Du hast nicht irgendwo einen wütenden Freund oder Ehemann versteckt, der mir eines Tages auflauern wird?«, erkundigte er sich beiläufig.
    Nachdrücklich schüttelte ich den Kopf. »Nein, Single seit-« Ich musste nachdenken und bemerkte, dass ich Gefahr lief, zu viel von mir preiszugeben. »Lange jedenfalls.«
    Nachdem ich mir eifrig noch zwei Gabeln mit Salat zu Gemüte geführt hatte, sah ich ihn an. »Und
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