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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition)
Autoren: Luca Tarenzi
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den anderen Menschen, die ich liebte, nicht wehtun wollte; aber ich hatte sie nicht um Hilfe gebeten.
    Mir traten die Tränen in die Augen. »Ich … es tut mir leid … Ich …«
    Mein Vater bedeutete mir mit einer Geste, zu schweigen. »Veronica.«
    Ich wischte mir die Tränen vom Gesicht und sah ihn an.
    »Ich kann und will dir nicht vorschreiben, was du hättest tun sollen oder nicht. Nicht jetzt. Nicht diesmal. Ich will dir nur sagen, dass ich stolz auf dich bin.«
    Zum zweiten Mal blieb mir der Mund offen stehen.
    »Du bist kein Kind mehr, Veronica. Das sehe ich jetzt, wie ich es zuvor nicht hätte sehen können. Du warst in Gefahr und hast gehandelt wie eine erwachsene Frau. Ich werde immer dein Vater bleiben, daran kann ich nichts ändern: Für mich wirst du immer mein kleines Mädchen sein. Aber du bist groß geworden. Und das erfüllt mich mit Stolz. Mit großem Stolz.«
    Diesmal weinte ich wirklich. Und als ich ihn umarmte, tat ich das so, wie ich es als kleines Kind getan hatte.
    Aber da war noch etwas anderes, über das ich noch mit niemandem gesprochen hatte.
    »Wie geht’s deinem Vater?«, fragte ich Ivan, das Schweigen brechend.
    »Er nimmt immer noch Schmerzmittel, aber es geht ihm ein wenig besser.«
    Die Ärzte hatten gesagt, dass seine Genesung etwa sechs Wochen dauern und er wahrscheinlich keine dauerhaften Schäden davontragen würde. Wir wussten alle, dass er verdammt großes Glück gehabt hatte.
    »Gestern Nacht bin ich in der Wohnung des Conte gewesen«, sagte Ivan einen Moment später.
    Ich starrte ihn an.
    »Sie war völlig leer. Es standen nicht mal mehr Umzugskartons herum.«
    Ich dachte an Regina, die Gefangene dieses Lebens, die auf unauflösliche Weise an den Conte gebunden. Aber ich würde sie nicht im Stich lassen. Ich hatte mir selbst das Versprechen gegeben, dass ich mich um sie kümmern würde.
    »Glaubst du, du könntest herausfinden, wo er sich aufhält?«, fragte ich Ivan.
    »Vielleicht. Aber dafür brauche ich Zeit.«
    Ich nickte und schwieg einen Moment. »Glaubst du, er kommt zurück, um uns zu jagen?«
    »Nein. Das glaube ich nicht.«
    Wieder Schweigen.
    »Veronica …«
    Ich sah ihm fest in die Augen. »Ich weiß es nicht, Ivan.«
    Er holte tief Luft. »Du bist zu Boden gestürzt, bevor die Peitsche dich getroffen hat. Ich bin mir ganz sicher.«
    »Also hat mich der Wolf freiwillig verlassen. Nicht der Ritus hat ihn vertrieben.«
    »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Es gibt keinen einzigen Hinweis darauf, dass so etwas möglich ist, in keiner der Geschichten, die mir bekannt sind.«
    »Das muss aber nicht heißen, dass es noch nie zuvor geschehen ist.«
    »Nein. In der Tat, nein.«
    »Und ich bin noch am Leben. Auch das ist noch nie zuvor geschehen.«
    Er streckte eine Hand aus, um die meine zu nehmen. Ich streichelte seine Finger und drückte sie.
    »Bedeutet das …« Ich suchte nach den richtigen Worten. »Bedeutet das, dass mein Pakt angenommen wurde? Dass der Wolf den letzten Moment meines Lebens genommen hat und ich … tot bin?«
    Ivan schüttelte den Kopf. »Sieht wirklich nicht danach aus. Du atmest, dein Herz schlägt. Du kommst mir lebendiger vor als ich selbst.«
    »Aber die Strigen haben gesagt, dass ein Versuch, dem Wolf zu entkommen, den unmittelbaren Tod bedeuten würde.«
    Er beschränkte sich darauf, mich anzusehen.
    »Und der Wolf ist weg. Er ist wirklich weg. Ich habe versucht, ihn zu rufen, viele Male: Er ist nicht mehr da. Ich bin frei.«
    Ivan runzelte die Stirn. »Hat er gesagt, dass er den Pakt akzeptiert? Hast du gehört, wie er den Schwur ausgesprochen hat?«
    »Nein. Vielleicht … Ich weiß es nicht. Es ist alles zu schnell gegangen.« Ich versuchte, mir alles noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. »Aber wenn er nicht akzeptiert hat, warum ist er dann gegangen? Und wenn er doch akzeptiert hat … was bedeutet das für mich? Was habe ich dafür gegeben? Der Conte hat dasselbe getan, um in Ewigkeit leben zu können. Und auch ich bin am Leben … Aber in welcher Weise? Was von mir hat der Wolf mit sich genommen?«
    Ivan nahm meine Hand. »Veronica, vor einem Monat habe ich dich zum ersten Mal getroffen. Seitdem habe ich zweimal versucht, dich umzubringen, ich habe dich verloren, ich habe dich wiedergefunden, ich habe dich von Neuem verloren, und ich habe dich von Neuem wiedergefunden. Was dir in der Vollmondnacht geschehen ist, weiß ich nicht. Alles, was ich jetzt im Moment weiß, ist, dass du hier bei mir bist. Dass ich dich liebe. Und
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