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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition)
Autoren: Luca Tarenzi
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einen Pakt vorschlagen würde: Wenn ich dich bitten würde, mich und die Menschenwelt zu verlassen, und an den Ort zurückzukehren, an den du gehörst. Und wenn ich dich aber dennoch das mitnehmen ließe, was du dir so sehr wünschst?« Ich nahm einen langen, sehr langen Atemzug: Ich konnte jetzt einfach nicht mehr zurück. »Wenn ich dir den letzten Augenblick meines Lebens anbieten würde?«
    Die Augen des Wolfes blitzten, richteten sich stechend auf mich, wurden ganz schmal.
    » Du weißt nicht, wovon du sprichst .«
    »Das ist richtig: Ich weiß es nicht. Aber ich biete es dir trotzdem an. Verlass mich, und du wirst den letzten Augenblick meines Lebens mit dir nehmen können. Dies ist die Menschlichkeit, die du dir wünschst, nicht wahr? Wäre dies nicht eine Möglichkeit, um deinen Traum weiterzuträumen, selbst im Nichts?«
    Der Wolf antwortete nicht, aber ich sah, wie seine Nüstern bebten.
    »Ich schwöre, dass ich es tun werde, wenn auch du schwörst. Auf die Mächte, denen du angehörst, welche Namen auch immer die Menschen ihnen gegeben haben. Ein Pakt zwischen mir und dir, mit jenem Schwur, der Menschen und Götter bindet.«
    Der Wolf starrte mich an. Er beugte den Kopf nach vorn. Dann öffnete er die Lippen und begann zu sprechen.
    Ein unbeschreiblicher Wind erhob sich, ging mit voller Wucht auf uns nieder und löschte im Vorbeifegen Formen, Farben und Klänge aus. Ich taumelte und hielt mir die Ohren zu, um sein wildes Heulen nicht hören zu müssen, ich sah, wie die Welt um mich herum zu Staub zerfiel, ich spürte den Geruch des Eisenhuts in den Nasenlöchern und sein Brennen auf der Haut und wusste, dass ich dabei war, in die Realität zurückzukehren.
    Ich stürzte zitternd zu Boden, von Neuem vom Gewicht des Kreises niedergedrückt. Als ich den Kopf hob, sah ich etwa zehn Meter von mir entfernt den Conte stehen: Er röchelte und stützte sich schwer auf seinen Stock. Aus seiner Nase rann ein Faden Blut.
    Zu seinen Füßen lag eine reglose Gestalt: Ivans Vater. Unmöglich zu sagen, ob er tot oder lebendig war.
    Mit Mühe richtete der Conte sich auf und wandte sich in meine Richtung. »Und am Ende, Veronica Meis, sind nur du und ich übrig. Wie am Anfang von allem.«
    Er humpelte ein paar Schritte vorwärts, blieb dann aber stehen, um wieder Stabilität zu erlangen.
    »Wie du siehst, habe ich mein Versprechen gehalten: Ich habe dich im Moment der Gefahr nicht allein gelassen. Ich bin gekommen, um dich zu retten.«
    Auch ich versuchte, auf die Beine zu kommen, mit noch qualvolleren Bewegungen als er, aber es blieb erfolglos.
    »Ich werde jetzt diesen Kreis zerstören und mit dir gemeinsam die Ankunft des Gottes erwarten. Und dann lasse ich dich nie mehr allein.«
    Ich versuchte etwas zu sagen, aber die vom Eisenhut durchtränkte Luft verbrannte mir Gaumen und Zunge. Ich brachte nur ein ersticktes Ächzen hervor und fiel wieder zu Boden.
    Der Conte mühte sich um einen stabilen Stand auf seinem gesunden Bein, stemmte den Stock in die Erde und machte sich wieder daran, voranzuschreiten. »Wir werden große Dinge vollbringen, Veronica. Wir beide gemeinsam, du und ich! …«
    Dann geschah alles innerhalb eines Augenblicks. Ein grelles Licht blendete mich, hüpfte auf und nieder und teilte sich schließlich in zwei Hälften. Die Scheinwerfer eines Autos, das auf das Tor zuschoss, es kurzerhand niederwalzte und mit voller Geschwindigkeit weiterraste. Auch der Conte sah das Licht, fuhr herum, hob die Arme und den Stock, wie um sich zu schützen. Aber es war zu spät. Das Auto fuhr voll auf ihn zu, erfasste ihn und schleuderte ihn sechs oder sieben Meter durch die Luft. Er landete auf einen Erdhügel, rollte hinunter und rührte sich nicht mehr.
    Das Auto hielt, und auf beiden Seiten öffneten sich die Türen: Auf der Beifahrerseite sprang Ivan aus dem Wagen, auf der Fahrerseite erschien unbegreiflicherweise mein Vater.
    Mein Blick trübte sich, und die Welt wurde von einer Patina aus silbrigem Licht überzogen. Ich spürte ein Kribbeln auf der Haut, und dann ein Wogen wie von Wasser oder wie von einem Schleier, der vom Wind gepackt wird. Jetzt geschah das, was geschehen musste: Ich war dabei, mich zu verwandeln. Niemand konnte es mehr aufhalten.
    Vor meinen Augen bewegte sich etwas, eine schwarze Gestalt.
    »Veronica!«
    Ivans Stimme schien aus unendlicher Ferne an mein Ohr zu dringen.
    Ich stand instinktiv auf. Die Macht des Kreises hatte noch immer Wirkung auf mich, aber nicht genug: Mein Körper war im
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