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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition)
Autoren: Luca Tarenzi
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gegen die Wand stehen, auch noch, als mein Atem wieder normal ging und jedes weitere Geräusch im Haus von der nächtlichen Ruhe geschluckt worden war.
    Ich atmete tief durch und gab mir einen Ruck. Ich konnte keinerlei Geruch mehr wahrnehmen. Auch als ich mir die Hand unter die Nase hielt: nichts.
    Dabei war ich sicher, den Geruch meiner Haut gerade so intensiv gespürt zu haben wie nie zuvor.
    Ich starrte auf das Fenster, schluckte und zwang mich, näher hinzugehen. Als ich die Hand auf den Griff legte, merkte ich, dass ich zitterte. Ich presste die Faust zusammen, bis das Zittern aufhörte. Dann riss ich in einer fast frenetischen Geste Fenster und Fensterläden weit auf.
    Die feuchtkalte Nachtluft verschlug mir den Atem. Vor mir die Weite des Himmels, die wie immer niedrig hängenden Wolken, angestrahlt von den Lichtern des Flughafens. In der Ferne, am von den Dächern zerklüfteten Horizont, glitten langsam die blitzenden roten und blauen Lichter eines Flugzeugs dahin. Es hatte aufgehört zu regnen: Die Straßen unter mir waren in einen Mantel aus gräulichem, undurchdringlichem Nebel gehüllt.
    Ich untersuchte das Fensterbrett und den äußeren Fensterrahmen, aber ich konnte nichts finden. Was auch immer mich besuchen gekommen war, hatte sich in Nichts aufgelöst, wie es die Träume tun.

K apitel 4
    Dienstag, 10. Februar
    Abnehmender Mond
    I ch habe mich schlaugemacht: Ich weiß jetzt, wo man sich gegen Tetanus impfen lassen kann.« Ich ließ mich steif neben Irene nieder und nickte. Während ich ein paar Bücher auf meine Bank legte, tat ich so, als würde ich an nichts anderes denken. Tatsächlich war ich damit beschäftigt, die Lage zu checken. Die allgemeine Aufmerksamkeit war im Vergleich zum Vortag offenbar nicht mehr auf mich konzentriert, aber einige Leute beobachteten mich immer noch heimlich und lachten oder wandten sich an ihre Banknachbarn, um ihnen etwas zuzuflüstern, das im Gegenzug ein breites Grinsen hervorrief. Auf dem Weg von der Tür zu meinem Platz hatte ich mit meinem Blick den von Alex gesucht: Er saß am Fenster, lachte und quatschte mit einem Freund und sah nach draußen. Er drehte sich nicht zu mir um.
    Ich hätte alles dafür gegeben, zu erfahren, was hier gespielt wurde. Was hatten die nur alle zu lachen? Warum ließen sie mich nicht in Frieden? …
    Es wäre schon schlimm genug gewesen, wenn ich den Grund gekannt hätte, aber dass mich alle anstarrten und ich wusste nicht, warum, machte mir Lust, laut herumzuschreien. Oder einfach unsichtbar zu werden und zu verschwinden.
    Zu Hause in Ravenna wäre so etwas nie passiert. Dort war ich unter Freunden gewesen, unter Menschen, die mich kannten und mochten, und die mir in diesem Moment so sehr fehlten, dass mir das Herz schwer wurde. Was hatte ich nur in dieser verdammten Nebelstadt zu suchen, inmitten von Fremden, die mich auslachten, ohne irgendeinen Menschen, der …
    Irene beugte sich vor, um mein Gesicht besser sehen zu können. »Geht’s dir gut?«
    Ich lächelte leicht verkrampft. »War ’ne schlimme Nacht.« Ich wies mit einer Kopfbewegung auf die anderen. »Und ich würde wirklich gerne wissen, was hier los ist …«
    Irene warf einen Blick in die Runde, ganz direkt, mit gerunzelter Stirn, jeden offen herausfordernd, der in unsere Richtung sah: Viele wandten die Augen ab, und das überraschte mich. Alles hätte ich erwartet, nur nicht, dass meine Freundin eine verborgene stählerne Seite enthüllen würde, wenn auch nur mit den Augen.
    Ich war also doch nicht ganz allein: Es hatten nicht alle etwas gegen mich. Ich verspürte den plötzlichen Wunsch, Irene zu umarmen, aber ich bezwang mich: Das hätte nur noch mehr Aufmerksamkeit auf mich gelenkt.
    »Kannst du dich noch immer an nichts erinnern?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Völliger Nebel.«
    Gestern Nacht hatte ich lange darüber nachgedacht, während ich mich wach im Bett hin und her wälzte, den Schlaf herbeisehnend und zugleich voller Angst, er könnte mir weitere Albträume bringen wie den mit dem Wald und dem Kind. Oder, schlimmer noch, wie die Art Halluzination, die ich gleich danach gehabt hatte.
    Ich hatte lange gebraucht, mich nach diesem Ereignis wieder einigermaßen zu beruhigen. Lange genug, um in meinen Schlafanzug und unter meine Decke zu schlüpfen. Ich hatte die Lampe geprüft und festgestellt, dass sie wirklich explodiert war; der Radiowecker dagegen hatte aus Gründen, die nur er kannte, aufgehört zu funktionieren, und war wenige Minuten später wieder
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