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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition)
Autoren: Luca Tarenzi
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vertrauten grünlichen Displays sah ich nur Schwarz.
    Ach ja, meine Mutter hatte ihn ja auf die Kommode gestellt. Aber auch dort: Dunkel.
    Mich packte die Angst.
    Mein Zimmer war in eine rabenschwarze Finsternis getaucht, so undurchdringlich, dass sie quasi an mir zu kleben schien. Irgendetwas absolut Falsches lag in der Luft: Normalerweise fiel durch die Ritzen der Fensterläden immer ein wenig Licht von draußen, auch in den tiefsten Tiefen der Nacht. Ich wandte die Augen Richtung Fenster, nur die Augen, urplötzlich widerwillig, mich zu bewegen: Selbst der verhasste radioaktive Lichtschein des Flughafens hatte einem endlosen Nichts Platz gemacht.
    Ich hielt den Atem an.
    In diesem Moment war am Fenster, genau in Blickrichtung, ein Geräusch zu hören, kurz und trocken, wie von etwas Hartem, das über eine raue Oberfläche kratzt.
    Aus unerfindlichen Gründen nahm in meinem Kopf das Bild einer riesigen, schwarzen Klaue Gestalt an. Sie war länger als meine Hand, krumm wie eine Sense und scharrte draußen über die Hauswand, um sich am Fenstersims festzuklammern.
    Mir schlug das Herz bis zum Hals. Ich atmete krampfhaft, meine Nasenflügel bebten, und es war, als würde in meinem Inneren eine Tür aufgerissen: Wieder füllte sich die Luft mit Gerüchen, eine deutlich erkennbare Ausdünstung, vertraut , in diesem Moment die natürlichste Sache der Welt.
    Es war mein eigener Geruch, der die anderen überdeckte. Ich wusste ganz sicher, dass ich mit etwas Konzentration jede Einzelheit herausfiltern konnte: die natürliche Duftnote meiner Haut, das Moschusparfüm, das ich am Morgen angelegt hatte, mein Shampoo, mein Duschgel und sogar den Duft des Waschmittels, mit dem meine Klamotten gewaschen worden waren. Ich nahm den stechenden Rest von Elektrostatik wahr, den die Glühbirne in der Luft hinterlassen hatte, die leichte Spur von Explosionsrauch, den feuchten, dumpfen Geruch meiner Springerstiefel, die auf dem Boden lagen, und den Mix der äußeren Welt, den meine offen neben dem Schreibtisch liegende Schultasche verströmte.
    Und da war noch etwas, fremd, ekelerregend, wie verwelkte Blumen und aufgewühltes Erdreich. Mit aller Deutlichkeit signalisierten mir meine Instinkte, dass ich ganz unmittelbar und unumstößlich in Gefahr war.
    Wie zur Antwort darauf zitterte in der Finsternis der Fensterrahmen, begleitet von einem sehr seltsamen Geräusch, eine Art Flattern.
    Schlagartig fand ich mich auf dem Fußboden wieder, Hände und Füße auf der Erde, hinter den Stuhl gekauert, auf dem ich einen Moment zuvor noch gesessen hatte und der noch um sich selber taumelte, so plötzlich und heftig war der Satz gewesen, mit dem ich ihn verlassen hatte. Eine Bewegung, an die – und das merkte ich erst jetzt – ich mich nicht erinnern konnte . Gerade noch hatte ich schockstarr an meinem Schreibtisch gesessen, und jetzt fand ich mich plötzlich auf dem Boden wieder, die Augen fest auf den Punkt geheftet, an dem sich das unsichtbare Rechteck des Fensters befinden musste.
    Mehrere Geräusche durchschnitten jetzt die Finsternis, genauer gesagt zwei, gut voneinander unterscheidbare Geräusche: ein Scharren an der linken Seite, lauter und drängender als zuvor, und rechts eine Art abgefederter Aufprall, als wäre etwas Schweres und gleichzeitig Weiches auf dem Fensterbrett gelandet.
    Meine Alarmglocken schrillten umso heftiger und ließen mich von den Fußsohlen bis zu den Haarwurzeln erzittern. In meinen Augen machte sich eine seltsame Empfindung breit, eine Art brennendes Kitzeln.
    Dann war hinter mir das leichte Knarzen einer Tür zu hören und einen Sekundenbruchteil später das Klicken des Lichtschalters im Gang. Durch die Ritzen meiner Zimmertür drangen vier dünne Streifen Licht und verwandelten die Finsternis meines Zimmers in ein Halbdunkel.
    Das Scharren hörte sofort auf.
    Ich sprang auf die Füße, warf mich neben der Tür gegen die Wand und machte mit einem Handschlag das Zimmerlicht an. Der Fensterrahmen erzitterte, als ob sich ein Körper plötzlich von ihm lösen würde, und für einen Augenblick vibrierten die Fenstergläser unter dem Gewicht von etwas Riesigem , das die Luft durchquerte. Dann Stille.
    In den endlosen Sekunden, die folgten, hörte ich das Trappeln der Hausschuhe meiner Mutter auf dem Gang, das Öffnen der Badtür, das Geräusch der Spülung und wenig später die Schritte zurück, bis schließlich das Flurlicht wieder verlosch.
    Für einen unbestimmten Zeitraum blieb ich unbeweglich mit dem Rücken
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