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Die Zufalle des Herzens

Die Zufalle des Herzens

Titel: Die Zufalle des Herzens
Autoren: Fay Juliette
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Mangel an Originalität war ihr peinlich, und wenn jemand sie nach Einzelheiten fragte, verdrehte sie die Augen, um ihre Demütigung zu verbergen. »Jüngere Frau«, sagte sie dann. »Ahhh« , kommentierten die Leute wissend.
    Natürlich ließ sich die Auflösung einer seit fünfzehn Jahren bestehenden Ehe nicht mit einer so einfachen Erklärung abtun. Ja, er war untreu gewesen, aber Dana hatte ihm im Lauf der Jahre so viele Dinge verziehen, sie hätte ihn auch wieder aufgenommen. Es war Kenneth, der mit der Begründung auf die Scheidung gedrängt hatte, seine Liebe zu ihr sei nie so groß gewesen wie das, was er jetzt für diese neue Frau empfinde. »So glücklich war ich noch nie«, hatte er zu ihr gesagt.
    Trotzdem schien er enttäuscht darüber, dass Dana sich kampflos damit abfand, wegen seiner neunundzwanzigjährigen Friseurin von ihm verlassen zu werden. Dabei war Dana für ihr Empfinden ziemlich heftig explodiert. Allerdings wurde beiden bald klar, dass ihre Wut mehr mit ihren Kindern als mit ihr selbst zu tun hatte. Wie sollten sie weiterhin unbeschwert und vertrauensvoll auf andere Menschen zugehen, dachte sie voller Sorge, wenn der König ihres eigenen, kleinen Reiches sein Schloss verließ? Wer würde sie vor dem Ansturm der Hunnen bewahren?
    Mit dem Leben in einem königlosen Schloss kannte Dana sich nur allzu gut aus, und sie hatte sich geschworen, dass das ihren Kindern nicht passieren würde. Tief im Inneren hatte sie gewusst, dass sie keine Kontrolle über die Wechselfälle des Lebens besaß, aber es war tröstlich gewesen, so zu tun, als hätte sie die Macht, diesen einen großen Kummer von Morgan und Grady fernzuhalten.
    Ihre Ehe war nicht völlig lieblos gewesen, das konnte Dana mit einiger Sicherheit sagen. Es hätte sogar Potenzial für jene Art von großer Liebe gegeben, wie sie in den Liebesromanen vorkam, von denen sie nicht genug bekommen konnte. Sie hatte auf dieses Gefühl gewartet, hatte versucht, es nach Kräften zu nähren, zum Beispiel in romantischen Stunden, wenn sie Neues im Bett ausprobierten. Kenneth schien das sehr zu gefallen. Ihr auch, obwohl ihr Verstand eher abschweifte, wenn irgendeine ungewöhnliche Position von ihr verlangt wurde.
    Und sie hatte sich so bemüht. Bei allem.
    In den Beziehungen, die sie bewunderte, ob im wirklichen Leben oder in Büchern, waren sich die Liebenden auch die besten Freunde. Sie hörten einander zu und standen sich mit Rat und Tat zur Seite. Genau danach strebte auch sie. Sie versuchte, sich einzureden, dass Kenneth es nur gut mit ihr meine, wenn er sie tadelte, weil sie keinen dicken Mantel anhatte, oder wenn er andeutete, sie könne doch von Zeit zu Zeit mal etwas literarisch Anspruchsvolleres lesen. Er machte sich Gedanken um sie. Bot ihr auf seine Weise seinen Rat an. Mehr als ihre Eltern es je füreinander getan hatten.
    Eines Abends, als sie schlecht gelaunt und er ihr gegenüber besonders unaufmerksam war, hatte sie den Mut aufgebracht, ihm zu sagen, dass er auf ihre Bedürfnisse nicht eingehe. Seine Antwort: »Was für Bedürfnisse?« Dana wusste selbst nicht genau, welche, aber sie hatte sie, und er konnte sie nicht befriedigen.
    »Tut mir leid, mein Schatz«, hatte er gesagt, während er kurz einen Arm um sie legte. »Ich versuche, mich zu bessern.« Dann war er verschwunden, um sich ein Haar auszuzupfen, das wie ein Tentakel aus seiner ansonsten ebenmäßigen Augenbraue herausgewachsen war.
    Beim Unterschreiben der Scheidungspapiere war Dana natürlich todtraurig gewesen. Kenneth hatte darauf bestanden, sie danach zum Mittagessen in ein französisches Restaurant einzuladen, und sie war von dem gähnenden Abgrund ihres offiziell beurkundeten Alleinseins zu verwirrt gewesen, um abzulehnen. Ihre Hand hielt die Gabel, als wäre sie ein fremdartiger Gegenstand, ein Werkzeug, in dessen Gebrauch man sie nicht richtig unterwiesen hatte. Als die Gabel in den Salade Niçoise glitt, wehte ihr der Kräuterduft der Oliven entgegen, ein fremder, bedrohlicher Geruch. »Nein«, hätte sie am liebsten gesagt, »geh weg!«
    Sie legte die Gabel auf den Teller und versuchte, sich zu beruhigen, indem sie mit der Hand über die Tischdecke fuhr und die scharfkantigen Krümel wegwischte, die von Kenneths gebutterter Baguettescheibe abgeblättert waren. Ihre Haut fühlte sich kalt an und spröde wie Papier, so als könnten die Brotkrustensplitter sie durchbohren, bis Blut aus den Wunden trat. Im künstlichen Dämmerlicht des Restaurants wirkte Kenneths Miene
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