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Die Zeitreisenden in Callahans Saloon

Titel: Die Zeitreisenden in Callahans Saloon
Autoren: Spider Robinson
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Besondere an Callahans Lokal: in den meisten Bars tanzen die Männer nur, wenn Damen vorhanden sind. Ganz gleich, von welchem Geschlecht.
    Ich entdeckte in dem Mahlstrom von Verrückten, die auf dem echten Sägemehl torkelten und schlingerten, ein paar vertraute Gesichter und winkte ihnen grüßend zu. Da war Tom Flannery, der damals noch acht Monate zu leben hatte und es wußte; in Callahans Saloon lachte er oft. Da war Slippery Joe Maser, der zwei Frauen hatte, und Marty Matthias, der nicht mehr Karten spielte, und Noah Gonzalez, der beim Bombenentschärfungskommando von Suffolk County arbeitete. Die Figuren des Volkstanzes sagte Doc Webster an, der dabei einen beinahe echten irischen Jig hinlegte und genauso rund und gemütlich war wie an dem Tag, an dem er mir die Schlafpillen aus dem Magen gepumpt und mich zu Callahan geschickt hatte. Wissen Sie, ich hatte eine Frau und eine Tochter, bevor ich beschloß, die Bremsen an meinem Wagen selbst nachzustellen. Ich habe damals gut und gern dreißig Dollar gespart ...
    Der Doktor überließ die Tänzer ihrem Schicksal – bei ihrer ausgeprägten individuellen Kreativität erübrigte sich ein Ansager – und trieb wie ein rosa Zeppelin zu mir herüber, um mich zu begrüßen. Sein Stethoskop hing lässig an seinen Ohren, und er lächelte wie eine Bestrahlungslampe. Das Ende des Stethoskops baumelte in seinem Drink.
    »Hallo, Doc, ich habe mich immer schon gefragt, wie sie es fertigbringen, daß das verdammte Ding so kalt ist«, begrüßte ich ihn.
    Er blinzelte wie eine erstaunte Eule und blickte auf den sanfte Blasen werfenden Empfänger in seinem Scotch hinunter. Dann lachte er mit Lautstärke acht, holte das glitzernde Stück heraus und schüttelte es prüfend.
    »Sie sind hinter mein Geheimnis gekommen, Jake. Behalten Sie es aber bitte für sich«, dröhnte er.
    »Vielleicht behalten Sie es lieber für sich«, schlug ich vor. Er dachte eine Zeitlang über diese Idee nach, während ich über eines der größten Paradoxa des Lebens nachdachte: Sam Webster, Doktor der Medizin. Der Doktor nimmt drei bis vier Mal wöchentlich am Abend etliche Glas Peter Dawson zu sich. Aber es gibt auf der ganzen Welt keinen besseren Knochenflicker, und seine Wurstfinger können sich wie ein steppender Tausendfüßler bewegen, wenn es sein muß, und dabei zittern sie kaum. Lassen Sie sich von Shorty Steinitz erzählen, wie ihm Doc Webster den Blinddarm auf Callahans Theke herausgeschnitten hat – während Callahan mit Gelassenheit dafür sorgte, daß sein Scotchpegel nicht absank.
    »Dann könnte ich endlich hören, was ich denke«, antwortete der Doktor schließlich, und etliche Leute in Hörweite stöhnten dramatisch auf.
    »Fassen Sie sich ein Herz, Doktor!« rief jemand.
    »Was für eine unimpulsive Idee«, gab er zurück.
    »Schön, ich weiß, wann ich geschlagen bin«, sagte der Herausforderer und wollte sich abwenden.
    »Vielleicht bekommen Sie mal einen K.o.Schlag von Ihrer Schlagader«, brüllte der Doktor, und rings um ihn explodierten Gelächter und Applaus. Callahan griff mit seiner riesigen Hand nach einer Bierflasche und warf sie dem Doktor über die Bar hinweg an den Billardkugelschädel. Weil die Bierflasche aus Schaumgummi war, schnellte sie elegant hoch und landete auf dem Klavier, wo der Schnelle Eddie in einem erbitterten Clinch mit den »C-Jam-Blues« lag.
    Der Schnelle Eddie gab ein Geräusch wie ein überanstrengter Treibriemen von sich und hämmerte weiter, obwohl die hohen Töne blockiert waren. »Kleines Bier, triff nie ein Klavier«, sang er, als er zum Übergang kam, und er nahm ihn, als wollte er ihn hinter sich in Flammen aufgehen lassen.
    Insgesamt sah es nach einem fröhlichen Abend aus, aber dann stolperte der junge Janssen herein, und ich wußte, daß Schwierigkeiten im Anzug waren.
    Der junge Janssen – wissen Sie, ich kann lange Haare wirklich nicht schlecht machen; ich habe meine nämlich schon lang getragen, als es noch nicht »in« war. Und aus dem gleichen Grund kann ich Pot nicht schlecht machen. Aber niemand, den ich kenne, hat je etwas Gutes über Heroin sagen können. Schon gar nicht Joe Hennessy, der vergangenes Jahr zwei Wochen lang im Krankenhaus gelegen hat, nachdem er den jungen Janssen dabei erwischt hatte, wie er sich um vier Uhr morgens ein wenig Geld für einen Schuß aus seinem Safe holte. Der alte Janssen hat Hennessy jeden Cent zurückgezahlt und den Jungen hinausgeworfen, und er ist seither immer wieder mal aufgekreuzt. Angeblich
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