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Die Zeitfalte

Die Zeitfalte

Titel: Die Zeitfalte
Autoren: Madeleine L'Engle
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ihren Armen und kollerte mit ihr über die Erde, die süß nach Herbst roch – und Charles Wallace rief: »Meg! Oh, Meg!«
    Sie zog ihn an sich, preßte ihn an sich, und er umschlang ihren Hals mit seinen dünnen Armen. »Meg, du hast mich gerettet!« Immer wieder sagte er es: »Meg, du hast mich gerettet!«
    »Meg!« Und Vater und Calvin kamen aus der Dunkelheit auf sie zugelaufen.
    Sie löste sich aus der Umarmung, rappelte sich auf und blickte sich um. »Vater! Cal! Wo sind wir?«
    Charles Wallace nahm ihre Hand, hielt seinerseits Umschau – und mußte plötzlich lachen. Da war es wieder, sein liebes, süßes, ansteckendes Kleinkinderlachen.
    »Wir sind im Gemüsegarten der Zwillinge! Und wir sind mitten zwischen den Brokkoli gelandet!«
    Jetzt lachte auch Meg, und zugleich versuchte sie – vergeblich —, Vater und Calvin zu umarmen, ohne dabei Charles Wallace auch nur für einen Augenblick loszulassen.
    »Meg, du hast es geschafft!« rief Calvin. »Du hast Charles gerettet!«
    »Ich bin sehr, sehr stolz auf dich, mein Mädchen!« Herr Murry gab ihr einen feierlichen Kuß. Dann wandte er sich dem Haus zu und sagte: »Jetzt wird es aber Zeit, Mutter zu begrüßen.«
    Meg spürte, wie schwer es ihm fiel, seine Sehnsucht und Ungeduld länger zu beherrschen.
    »Da kommen sie!« rief Meg; und wirklich eilten Mutter und die Zwillinge durch das hohe, feuchte Gras auf sie zu.
    »Morgen muß ich mir zu allererst eine neue Brille beschaffen!« sagte Herr Murry, blinzelte angestrengt den Schatten zu, die sich im Mondlicht näherten – und lief endlich seiner Frau entgegen.
    Dennys‘ Stimme schallte über den Rasen. »He, Meg!« schimpfte er. »Du solltest längst im Bett sein!«
    Und dann schrie Sandy plötzlich: »Vater!«
    Herr Murry stolperte über den Rasen, Frau Murry rannte auf ihn zu; und dann fielen sie einander in die Arme; und dann gab es überhaupt nichts mehr als ein fröhliches Knäuel von Armen und Beinen und ungestümen Umarmungen. Die Eltern und Meg und Charles Wallace und die Zwillinge herzten und küßten sich; und Calvin stand mit schüchternem Grinsen daneben, bis Meg den Arm nach ihm ausstreckte, Cal einfach mit in den Kreis zog und Frau Murry ihn besonders liebevoll ans Herz drückte.
    Alle redeten und lachten wild durcheinander – als sie plötzlich von einem lauten, berstenden Krach aufgeschreckt wurden: Fortinbras hatte es nicht eine Sekunde länger in der Küche ausgehalten und hatte mit der vollen Wucht seines Körpers die Tür aufgesprengt. Er hetzte freudig bellend über den Rasen und rannte zur Begrüßung jeden über den Haufen.
    Mit einemmal spürte Meg, daß Frau Wasdenn, Frau Diedas und Frau Dergestalt ganz in der Nähe sein mußten, denn sie fühlte plötzlich mit jeder Faser ihres Herzens eine solche Fülle an Liebe und Glück, daß dieses überwältigende Gefühl alles übertönte, was sie bereits in sich trug.
    Ihr Lachen verstummte, und auch Charles Wallace wurde still und begann zu lauschen.
    Dann schwirrte es leise in der Luft, und Frau Wasdenn, Frau Diedas und Frau Dergestalt standen vor ihnen; und die Freude und Liebe, die sie ausstrahlten, waren so greifbar, daß Meg meinte, sie berühren zu können – wenn sie nur gewußt hätte, wohin sie die Hand ausstrecken sollte, denn …
    … denn Frau Wasdenn sagte, ein wenig atemlos: »Ach, meine Lieben, wie schade, daß wir uns nicht einmal mehr richtig von euch verabschieden können. Aber die Zeit ist abgelaufen, und wir müssen wieder wei … «
    Keiner von ihnen sollte erfahren, wohin Frau Wasdenn, Frau Diedas und Frau Dergestalt unterwegs waren.
    Denn da huschte ein Windhauch vorüber – und sie waren verschwunden.
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