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Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman

Titel: Die Zeit-Verschwoerung 3 Navigator - Roman
Autoren: Stephen Baxter
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beherzten Schritten herein. Er trug eine lange schwarze Robe, die einer Mönchskutte ähnelte, und hatte ein Bündel Karten und Bücher unter dem Arm. Er war hochgewachsen, und sein zurückgekämmtes Haar war fast vollständig weiß; nur an den Schläfen sah man noch Spuren eines im Verschwinden begriffenen Rotbrauns. Seine Stirn war breit, die Haut ein wenig sommersprossig, das beeindruckende Gesicht – ein Seefahrergesicht – wurde von einer kräftigen Nase beherrscht, und seine Augen waren graugrün – die Farbe des Meeres, dachte Harry. Er sah aus wie ein römischer Senator, ein Wiedergänger aus einer größeren Zeit als dieser. Dennoch lag Nervosität in seinen meergrünen Augen, als er mit ungeschickten Bewegungen seine Schaubilder und Bücher auf einem Tisch vor de Santángel ausbreitete. Einige der Höflinge lachten sogar. Und obwohl er erst
vierzig Lenze zählte, dachte Harry mit einem Blick auf diesen Schopf weißer Haare, wurde er über der Verfolgung seines einzigen Traums bereits alt.
    In all den langen Jahren, in denen Harry seinen Lebensweg beobachtet hatte, sah er den Mann nun zum ersten Mal leibhaftig vor sich. Dies war Cristóbal Colón, Christoph Kolumbus, ein Mann, der für Harry aus den fadenscheinigen Fragmenten der Prophezeiungen und Omen, die Jahrhunderte vor seiner eigenen Geburt niedergeschrieben worden waren, hervorgetreten zu sein und Gestalt angenommen zu haben schien. Ein Mann, um den sich die Geschichte drehte.
    Harry ertappte sich dabei, dass er hoffte, Colón würde in der Debatte auch diesmal den Kürzeren ziehen. Denn wenn es Colón durch irgendeinen Zufall gelang, de Santángel auf seine Seite zu bringen, dann, so wusste Harry, würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als aufzustehen, Colón niederzuschreien und damit seine eigenen jahrelangen Anstrengungen wie auch die seiner Freunde zu verraten. Harry betete, dass er aus diesem verwickelten Dilemma irgendwie herauskommen konnte, ohne eine solch schreckliche Entscheidung treffen zu müssen.
    Ohne Einleitung begann Colón zu erzählen. Er hatte seine Pläne schon viele Male vorgetragen, und er sprach mit klaren Worten und tiefer, kräftiger Stimme. Aber man hörte ihm seine Ungeduld an, dass er gezwungen war, all dies noch einmal durchzumachen. Überdies war sein Spanisch schlecht, mit starkem italienischem Akzent, und hin und wieder verhaspelte er sich.

    Zu Anfang zitierte er die Autoritäten der Antike. Er stützte sich stark auf den großen Ptolemäus, der im zweiten Jahrhundert ein klares und konsistentes Modell der Welt vorgelegt hatte, um die sich die Sonne und die Sterne auf Kristallsphären drehten. Colón kannte Ptolemäus von der dreihundert Jahre alten lateinischen Übersetzung eines Buches namens Almagest , das von den Arabern erhalten worden war.
    Er bezog sich auch auf das Werk von Papst Pius II., der vor seiner Erhebung ein Buch geschrieben hatte, in dem er Ptolemäus’ Ideen weiterentwickelte, und auf einen Kardinal namens Pierre d’Ailly, der in seinem imago mundi  – das Bild der Welt – gut begründete Ansichten über die jeweilige Größe Asiens und des Ozeanmeeres vorgebracht hatte. Er las Auszüge aus Roger Bacons Opus Majus vor, einer Synthese von Ptolemäus’ Vision und neueren Werken christlicher und muslimischer Geografen. Bacon vertrat die Ansicht, es gebe keine bedeutsame Landmasse zu finden außer den bereits bekannten: Asien, Afrika und Europa.
    Ferron schaute finster drein, als Graces eigener Ingenieur gegen ihr Projekt zitiert wurde.
    Colón fasste diese Vorstellungen zusammen und legte eine Karte mit einem relativ kleinen Ozeanmeer und nur einigen verstreuten Inseln zwischen Europa und Asien vor, die ein gewisser Martin Behaim für ihn gezeichnet hatte. Wenn Colóns Argumente richtig waren, sollte eine Reise nach Westen übers Ozeanmeer zu den Reichtümern des Ostens, um die Erdkrümmung herum, eine Kleinigkeit sein.

    Colón wurde von einem müde dreinschauenden Geografen aus Talaveras Gruppe unterbrochen, der Widerlegungen vortrug, die er schon viele Male hatte vortragen müssen. All dies seien Vermutungen, sagte er, an de Santángel gewandt. »Niemand würde der großen Masse von Ptolemäus’ Ideen widersprechen, die mit solcher Klarheit in einer größeren Zeit als dieser niedergeschrieben wurden und dank des unwissenden Kopierens der Araber erhalten geblieben sind. Natürlich befindet sich die Erde im Zentrum des Universums; das sieht doch jedes Kind.
    Aber was die Größe der
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