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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle
Autoren: D.G. Compton
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Haare, sondern nur die Verwirklichung eines Traumes, die Apotheose von Manny Littlejohn und David Silberstein … Während David Silberstein Roses Varco auf dessen Stuhl betrachtete, blickte er durch all diese Nebensächlichkeiten hindurch auf ein breites Lotterbett, auf dem er sich mit Liza den ganzen Tag lang wälzte und paarte. Er glaubte fest daran, daß er einen Mord beging. Daß Roses Varco genauso sterben würde wie alle Versuchskaninchen des Professors vor ihm. Daß er, David Silberstein, als Mitwisser eines Mordes sich um Lizas Willen als Komplize hergab und sich deshalb zum ersten Mal stark fühlte, nicht nur als Zuschauer, sondern als würdiger Liebhaber von Liza, der einzigen Frau, die er jemals geliebt hatte. Die Wollust, die sich aus solchen Quellen speiste, mußte himmlisch sein, paradiesisch, jede Vorstellungskraft seiner Fantasie übersteigend. Aus der Todesqual von Roses würde für ihn eine goldene Zukunft aufsteigen, eine wonnige Folge von Tagen und Nächten mit Liza. Dieser verfluchte Kerl hatte schon immer mehr Umstände gemacht, als er wert war.
     
    Roses gab es auf, auf das Plakat zu schielen, das an seinem Hals befestigt war. Er beugte sich vor und zog die Zehen ein, daß sie nicht aus den Löchern in seinen Turnschuhen hervorlugten. Hätte er vorher gewußt, daß so viele Leute ihn anstarren würden, weil er mitten im Zimmer auf einem Stuhl saß, hätte er sich vorher …
     
    »Lehnen Sie sich bitte zurück, Mr. Varco!« dröhnte es in seinen Ohren, während sein Puls träge weiterpochte. »Lehnen Sie sich bequem zurück und halten Sie die Füße still ja?«
    »Wie beim Friseur?«
    »Richtig, wie beim Friseur.«
    Er wußte genau, wie es bei einem Friseur zuging. Man hatte zwei Leute gebraucht, um ihn zum Friseur zu schaffen – schließlich hatte er sich die Haare all die Jahre über selbst geschnitten –, aber beim drittenmal hatte es ihm auf dem Friseurstuhl ganz gut gefallen. Er war sich wichtig vorgekommen, und der Friseur hatte einen viel größeren und besseren Spiegel als er zu Hause an der Küchentür. Deshalb lehnte er sich jetzt bequem zurück und drehte Däumchen, wie ihm das seine Mutter beigebracht hatte und wie er das immer tat, wenn er beim Friseur warten mußte, bis er dran war.
     
    Er hatte keine Ahnung, was um ihn herum vorging und was man mit ihm machen wollte. Doch als er endlich eine Gedankenverbindung zwischen sich und dem gescheckten Hund herstellte, zwischen sich und dem alten schwarzen Kater, zwischen sich und dem Mädchen in dem schlichten roten Kleid, die so wirr dahergeredet hatte, als ob sie verrückt oder betrunken gewesen wäre, da war es bereits zu spät. Eine Wand von Lichtern und Geräuschen umringte ihn. Sein Gesicht starrte ihn aus Hunderten von Linsen an. Er schlug die Hände vor die Augen und rollte sich zusammen wie ein Igel. Er schaukelte vor und zurück, wimmerte und sabberte, weil ihm das Jaulen der Beschleuniger in den Ohren gellte. Ein Schrei war in seinem Kopf, der zum Teil mit den Anschlüssen zusammenhing. Dieser Schrei war so schrecklich, so andauernd, daß auch die Verbindungen abbrachen, als er endete. Er wartete in der Stille darauf, daß jemand zu ihm redete, ihm über den Kopf strich und in das Leben zurück brachte. Er zitterte auf seinem Stuhl, die Knie gegen die Brust gepreßt, das Gesicht zwischen den Schenkeln vergraben. Doch niemand trat zu ihm.
     
    (Die kurze Episode, die jetzt folgt ist in dem Buch natürlich nicht beschrieben, da sich die Episode erst dann zugetragen hat, als das Buch bereits geschrieben war. Deshalb wird an dieser Stelle die »phantasievolle Neuschöpfung« durch eine »intelligente Spekulation« ersetzt. Da ich weiß, wie die Geschichte endet, kann sich die Episode nur so, wie ich sie schildere, zugetragen haben.)

 
X
     
    Endlich löste sich Roses aus seiner Igelstellung, öffnete die Augen und lugte durch seine Finger. Das Labor war verlassen. Alle Leute, die ihn eben erst angestarrt hatten, waren verschwunden. Die Scheinwerfer waren abgestellt, und draußen vor dem Fenster ging ein feiner Nieselregen nieder. Roses setzte sich gerade. Das Schweigen, das ihn einhüllte, war so dicht, als habe es jahrelang diesen Raum beherrscht. Er bewegte sich vorsichtig, kam sich wie ein Eindringling vor. Erst wird man geblendet von Lichtern, erschlagen von Geräuschen, angestarrt wie ein Wunder – und dann das. Das war nicht richtig. Er erhob sich vorsichtig, prüfte den Boden mit seinem Gewicht, bereit, sich in
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