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Die Zeit des Boesen

Die Zeit des Boesen

Titel: Die Zeit des Boesen
Autoren: Vampira VA
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Ordnung dort wachen.
    In Wahrheit verstanden es die bluttrinkenden Kinder des Kelchs seit Jahrhunderten, aus dem Verborgenen heraus zu lenken und zu richten. Und in all dieser Zeit war es nicht ein einziges Mal vorgekommen, daß ein Ereignis sie in solchem Maße überraschte wie dieser Menschenzug dort unten, der sich lärmend aus dem Stadtkern zur Burg hinauf wälzte.
    Bis zum Morgengrauen hatten sie noch geglaubt, die Zügel fest in der Hand zu halten. Aber dann hatte sich Widerstand in den Straßen formiert und eine Dynamik entwickelt, die sich wie ein Lauffeuer verselbständigte.
    »Gleich erreichen sie das untere Burgtor ...!«
    Noch immer gab es keinen Grund, um die Macht zu fürchten. Noch immer sah alles aus wie ein kleiner, zufällig ihrer Kontrolle entglittener, leicht korrigierbarer Zwischenfall.
    »Sollen wir ihnen entgegeneilen? Wenn wir -«
    Das Oberhaupt der Sippe brachte den Fragesteller zum Schweigen. »Nein. Wir lassen sie ein! Ich will sehen, wie weit sie gehen! Der materielle Schaden wird uns nicht schmerzen. Wir werden uns unter ihre Anführer mischen und alles verhüten, was uns zwänge, unsere Zukunftspläne allzusehr nach ihnen auszurichten .«
    Niemand, der ihm zuhörte, zweifelte an der Machbarkeit seiner Worte.
    Bis sie denjenigen, der den Mob anführte und begleitete, spüren konnten.
    »Er ist kein Mensch!« erkannte das Oberhaupt verblüfft. »Und auch keiner von uns«, fügte einer der Sippe hinzu. Noch konnte diese Entdeckung keinen wirklichen Schrecken in ihren kalten Herzen wecken. Eher Neugierde. Doch die sollte sich bald in Furcht wandeln. Dann in Panik. In die nackte Angst um ihr untotes Leben .
    *
    Justus meinte Bleigewichte auf den Schultern liegen zu haben, als er zurück zum mittleren Burghof stieg, wohin die Treppe aus den Verliesen führte. Die Unruhe, die ihm entgegenschlug, kaum daß er ans Tageslicht zurückkehrte, erschreckte ihn in gleichem Maße wie sein Auftrag.
    Er sollte den Statthaltern das Ultimatum seines Vormunds (denn um nichts anderes handelte es sich) überbringen? Ihn schauderte. Um so mehr, als er nach wenigen Schritten über den Palasthof begriff, daß Wenzels Weisung bereits überholt war .
    Justus prallte zurück, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gestoßen.
    Aus verschiedenen Richtungen strömte die aufgebrachte Meute auf den Hof, der hufeisenförmig vom Königspalast umrahmt wurde!
    Zuerst wollte Justus es nicht wahrhaben, und tatsächlich ging sein inneres Sträuben, die Wahrheit anzuerkennen, soweit, daß er ein paar Herzschläge lang die Augen fest geschlossen hielt, als könnte er die Realität dadurch in seinem Sinne beeinflussen.
    Aber die Geräusche änderten sich nicht. Der Strom, aus protestantischen Bürgern, böhmischem Halbadel und anderen waffenschwingenden Sympathisanten der Burgstürmer bestehend, ergoß sich nach allen Seiten und verschaffte sich Zugang zu den angrenzenden Bauten und den nur vom Hof aus zugänglichen Burgflügeln.
    Zitternd riß Justus endlich wieder die Augen auf. Vielleicht war es seine einfache Kleidung, vielleicht sein unreifes Gesicht, dem die kalkige Blässe noch mehr Durchsetzungsvermögen absprach als sonst, auf jeden Fall ignorierte ihn die einfallende Horde total!
    Ungeschoren bis auf ein paar blaue Flecke, die er sich von den ungestüm vorbeidrängenden Männern einhandelte, denen er im Wege stand, fand er sich kurze Zeit später auf einem fast verlassenen Hof wieder. Sein erster Gedanke war, zurück zu seinem Vormund zu eilen und ihm von der Katastrophe zu berichten. Doch dann entdeckte er einen ganz neuen Zug an sich, der an Verwegenheit grenzte und ihm einen fast wohligen Schauer bescherte: Neugierde.
    Die Beobachtung, daß sich offenbar selbst Soldaten, die die Burg und ihre Bewohner eigentlich hätten verteidigen sollen, auf die Seite der Eindringlinge geschlagen hatten, gipfelte in der Erkenntnis, daß er es keineswegs mit tolldreisten Mordbuben zu tun hatte. Diese Bürger sahen ihre Rechte in Gefahr, und deshalb handelten sie ...
    ... was natürlich nicht ausschloß, daß der eine oder andere Tropfen Blut fließen würde.
    Schreie, so schrill und entsetzlich, daß sie durch Mark und Bein gingen, unterbrachen Justus' Gedankengang und zwangen ihn, den Blick zum Himmel hinauf zu richten. So sah er gerade noch die letzten beiden dem Turm entsteigen, der zum innersten Palastbezirk gehörte - - die letzten beiden von insgesamt sieben Fledermäusen, groß wie Hunde und geradezu verzweifelt mit ihren
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