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Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Titel: Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Lark
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Hempelmann gewesen wäre.
    Bei dem Gedanken an sie fühlte sich Kitten gleich besser. Vielleicht gab es ja doch noch einen Ausweg aus ihrer misslichen Lage. George Hempleman war der Gründer und Besitzer der Walfangstation. Sicher konnte er etwas für sie tun, wenn seine Frau ihn darum bat. Kitten würde ihr dann nur erzählen müssen, was ihr drohte. Kitten seufzte. Es graute ihr davor, Linda Hempelmann mit diesen Dingen zu belasten, aber eine andere Lösung fiel ihr jetzt nicht mehr ein. Am besten tat sie es gleich … zumal sie sehen musste, dass sie wegkam aus der Umgebung des Pubs. Bald würden die ersten Männer eintreffen …
    Kitten ließ den Strand hinter sich und tauchte in das Halbdunkel des lichten Waldes ein. Hier in Küstennähe standen Nikau-Palmen, windgepeitschte Südbuchen, eine Art Oleandersträucher und andere Bäume und Büsche, die Kitten nicht kannte. Der Wald gefiel ihr. Die Luft roch frischer hier, der Boden war noch feucht vom letzten Regen, und die Pflanzen schienen den vom Strand herüberwehenden Kadavergeruch abzuhalten. Kitten fühlte sich getröstet, es war fast, als könnten diese Bäume ihre Freunde sein …
    Dann schalt sie sich ihrer unsinnigen Gedanken und folgte dem Pfad, der zum Haus der Hemplemans führte. Es ging relativ steil bergauf, George Hempleman hatte sein Haus oberhalb des Waldes anlegen lassen, der wie ein schmaler Gürtel um die Bucht und den Strand lag und dann in eine von Tussockgras bewachsene Hochebene überging. Mitten im Grasland lag denn auch das Holzhaus, von dem aus man einen wunderschönen Blick über Bäume und Strand hatte, ohne den mit dem Walfang unweigerlich verbundenen Lärm und Gestank ertragen zu müssen. Hempleman pflegte auch darauf zu achten, die gefangenen Wale außerhalb der Sichtweite seines Hauses zum Ausweiden an Land ziehen zu lassen, und der Pub und die Hütten der Arbeiter störten die Aussicht nicht, die sich Linda Hempelmann bot, wenn sie denn die Kraft aufbrachte, sich auf ihrer Terrasse dem Müßiggang hinzugeben.
    In der letzten Zeit war das leider immer seltener der Fall. Frau Hempelmann war krank – sie hatte ein schwaches Herz. Auf jeden Fall erlitt sie immer wieder Anfälle und war in der Zeit danach tagelang ans Bett gefesselt. Mr. Hempleman wies immer wieder darauf hin, dass seine Gattin unter keinen Umständen aufgeregt oder mit irgendwelchem Ärger auf der Walfangstation behelligt werden dürfe. Er hatte auch Kittens häufige Besuche in seinem Haus zunächst mit Argwohn verfolgt, aber Frau Hempelmann wurde nicht müde, ihm zu versichern, wie sehr sie sich über das Mädchen freute.
    George und Linda Hempleman hatten sich zwei Jahre zuvor, kurz bevor Barker mit seinen Huren eingetroffen war, in der Piraki Bay auf der Banks-Halbinsel angesiedelt. Damals war es Frau Hempelmann noch weitaus besser gegangen. Natürlich hatte sie von den Frauen am Strand gehört und war heruntergekommen, um einen Blick auf sie zu werfen – womöglich hatte sie sich Gesellschaft erhofft. Aber Priscilla, Noni oder gar Suzanne waren selbstverständlich kein Umgang für Linda Hempelmann. Allein die Vorstellung, die Huren in ihren speckigen, meist verdreckten Kleidern könnten auf ihren gepflegten Sofas und Sesseln Platz nehmen … Und der Gedanke erst, ihre ordinären Reden könnten die Ruhe in ihrem Haus stören, könnten die sanften, freundlichen Worte übertönen, die sie an Kitten zu richten pflegte …
    Kitten lächelte bei der Erinnerung an die angenehme, eher leise Stimme Linda Hempelmanns, die sich meist einer ihr damals noch fremden Sprache bediente. Sie und die einsame Frau im Herrenhaus hatten sich sofort gemocht und auch sehr bald verstanden. Es begann damit, dass Kitten fast ungläubig auf das Zuckerzeug geblickt hatte, das Frau Hempelmann ihr schenkte, nachdem sie sie zum ersten Mal am Strand gesehen hatte. Nie zuvor hatte ihr jemand etwas Süßes gegeben. Das Wort »Plätzchen« war dann auch das erste, das sie in der deutschen Sprache lernte.
    »Und wenn man sie bekommt, sagt man › danke ‹ !«, hatte Frau Hempelmann Kitten ermahnt, als sie die Leckerei mit beiden Händen gleichzeitig in den Mund gestopft hatte.
    Kitten hatte sie aufmerksam angesehen und das Wort wiederholt. Man ging höflich miteinander um im Hause der Linda Hempelmann. Kitten hatte viel zu lernen, aber sie sog das Wissen um gute Umgangsformen und vor allem die neue Sprache nur so in sich auf. Als die liebenswerte Frau begann, ihr am Nachmittag und Abend
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