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Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Titel: Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Lark
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Zuflucht in ihrem Haus zu gewähren, wenn der Pub öffnete und die Huren ihre Freier empfingen, lernte sie sehr schnell Deutsch. Und da Suzanne in der Regel in den Armen des letzten Mannes ihren Rausch ausschlief und sich für Kitten folglich kein Platz in ihrem Verschlag fand, schlief das Mädchen meist im Pferdestall des Herrenhauses.
    George Hempleman wusste davon nichts – Kitten schlich sich aus dem Haus zu den Ställen, wenn sie ihn heimkommen hörte, und war längst aufgestanden und wieder am Strand, bevor er seine Frau am Morgen verließ. Linda Hempelmann wusste dagegen Bescheid. Sie hatte dem Mädchen jeden Morgen etwas Milch, Brot und Honig vor die Stalltür gestellt, als es ihr noch besser gegangen war. Doch das war Wochen her … Inzwischen war es Kitten, die der mütterlichen Freundin das Essen ans Bett brachte.
    Auch an diesem Tag schwante dem Mädchen nichts Gutes, als es die Haustür öffnete und Wohnräume und Küche verwaist vorfand. Man merkte das Fehlen der Hausfrau, auch wenn Mr. Hempleman sich erkennbar bemühte, sein Heim sauber zu hinterlassen, schon um seine Frau nicht aufzuregen. Alles wirkte unordentlich. Das Geschirr vom Frühstück war nicht gespült, die Kissen auf dem Sofa waren nicht ordentlich aufgeschüttelt, und natürlich hatte niemand geputzt.
    Kitten rief Frau Hempelmanns Namen, um sich anzukündigen, und steuerte auf das Schlafzimmer zu, das George Hempleman seiner Frau kurz zuvor zu ebener Erde eingerichtet hatte. Eigentlich führte eine Treppe zu einem oberen Stockwerk hinauf, in dem die Privaträume des Ehepaares lagen, aber Linda Hempelmann war inzwischen zu schwach, um dort hinaufzusteigen. Während Kitten durch die Wohnung ging und hier und da etwas geraderückte oder ein Möbel wieder an seinen Platz schob, kam ihr ein Gedanke. Wenn sie jetzt offiziell erwachsen sein sollte, dann könnte Frau Hempelmann sie doch eigentlich als Hausmädchen anstellen! Sie konnte hier bei ihr wohnen, sie pflegen und die Sachen der Hemplemans in Ordnung halten. Oder nein, vielleicht lieber nicht hier wohnen …
    Sooft Kitten davon träumte, in einem richtigen Bett in einem richtigen Zimmer zu schlafen, sosehr war sie doch auf der Hut. Frau Hempelmann war krank, und auch Mr. Hempleman war ein Mann! Kitten hatte Barker oft murren hören, dass dem Chef seine Huren nur nicht gut genug waren. Die Walfänger behaupteten, er besuche ein Bordell in Port Victoria.
    »Kätzchen?« Frau Hempelmann öffnete die Augen, als Kitten ihr Zimmer betrat. Es war ziemlich klein, früher hatte es ihr als eine Art Handarbeitszimmer gedient. Kitten hatte sie oft mit einer Stickerei an dem großen Fenster angetroffen, das einen Ausblick auf die Bucht bot. »Das ist schön, dich zu sehen! Und die hübschen Blumen! Feuerblüten …«
    Kitten erwiderte das Lächeln, das die magere, blasse Frau auf dem Bett ihr schenkte. Sie hatte gewusst, dass sie sich über das Sträußchen Rata-Blüten freuen würde, das sie vor dem Haus für sie gepflückt hatte. Rata wuchs in der Gegend üppig, die Pflanze war sowohl als eigenständiger Busch verbreitet wie auch als Parasit in den Kronen des Rimu oder anderer Bäume. Aber Frau Hempelmann liebte ihre Blüten und hatte diesen poetischen Namen für sie gefunden.
    »Ich muss sie nur in die Vase stellen«, sagte Kitten geschäftig und machte sich daran, die verwelkten gelben Kowhai-Blüten, die sie am Vortag mitgebracht hatte, gegen die rote Pracht auszutauschen.
    Das Mädchen bemühte sich, unbeschwert zu wirken, obwohl Frau Hempelmanns Anblick ihr einen Schrecken versetzte. Sie schien von Tag zu Tag hinfälliger zu werden – und älter! Linda Hempelmann mochte nicht mehr als dreißig Jahre zählen, doch selbst die verlebte, trunksüchtige Suzanne wirkte jünger und vitaler. Ihr ehemals glänzendes dunkelblondes Haar war jetzt stumpf und ergraute zusehends. Ihr Gesicht war bleich und knochig, die Augen lagen tief in den Höhlen und waren dunkel umschattet.
    »Geht es Ihnen denn gut, Frau Hempelmann?«, fragte Kitten und versuchte so zu klingen, als meine sie die Frage ernst. Dabei war unschwer zu erkennen, dass es ihrer mütterlichen Freundin alles andere als gut ging. »Soll ich Ihnen einen Tee machen? Oder irgendetwas bringen?«
    Linda Hempelmann versuchte, sich ein wenig aufzurichten. Kitten stellte die Vase auf dem Nachttisch ab und half ihr dabei. Sie schien dadurch etwas Kraft zu gewinnen und fuhr mit den Fingern durch ihr Haar, das sie in der Nacht nicht aufgesteckt
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