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Die zehnte Kammer

Die zehnte Kammer

Titel: Die zehnte Kammer
Autoren: Glenn Cooper
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schleppten eine stöhnende Gestalt in den Kreis der schwarzgekleideten Soldaten. Es war Pelay, der aus einer Wunde in seiner Brust blutete. Einer der Männer gab einem kleinen Mann neben dem General einen M1-Karabiner mit Zielfernrohr.
    »Damit hatte er Sie im Visier«, sagte Gatinois und zeigte Luc die Waffe. »Ich habe Ihnen das Leben gerettet.«
    »Würden Sie mir bitte sagen, was hier vorgeht?«, fragte Luc.
    Gatinois machte ein nachdenkliches Gesicht. »Warum eigentlich nicht?« Er wandte sich an den kleinen Mann neben ihm: »Was meinen Sie, Marolles?«
    »Die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen, mon Général.«
    »Da haben Sie recht. Wo ist die Amerikanerin?«
    Marolles sprach in ein Funkgerät, das an seiner Jacke hing, und bekam eine Antwort, die Luc nicht verstand.
    »Sie bringen sie her«, sagte Gatinois.
    Pelay ließ ein grauenvolles, gurgelndes Stöhnen hören.
    »Der Mann braucht einen Arzt«, sagte Luc.
    »Das ist er selbst«, erwiderte Gatinois ungerührt. »Er war für uns nützlich, das muss ich zugeben, aber ich habe ihn nie gemocht. Sie etwa, Marolles?«
    »Durchaus nicht.«
    »Seine letzte nützliche Tat war, dass er uns über Ihre Ankunft in Ruac informiert hat, Professor Simard.«
    Der Peugeot kam, mit einem von Gatinois’ Männern am Steuer, langsam über den Parkplatz herangefahren. Ein anderer Soldat öffnete die hintere Tür und half Sara, die immer noch in das blutige Bettlaken gewickelt war, beim Aussteigen. Als sie Luc sah, riss sie sich von ihrem Wächter los und rannte auf ihn zu.
    »Luc, was ist passiert?«, fragte sie mit schwacher Stimme. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    Er legte seinen Arm um sie. »Mir geht es gut. Aber ich weiß nicht, wer diese Männer sind. Sie kommen jedenfalls nicht aus dem Dorf.«
    Sie blickte hinab auf Pelay, der sich am Boden zusammengerollt hatte und grässliche Töne von sich gab. »Großer Gott«, sagte sie.
    »Nein, wir kommen nicht aus Ruac«, sagte Gatinois. »Aber Ruac hat uns viele Jahre lang beschäftigt. Man könnte sogar sagen, dass wir Ruac unsere Existenz verdanken.«
    »Wer sind Sie?«, fragte Luc. »Und was machen Sie?«
    »Man nennt uns Einheit 70«, sagte Gatinois.
    Marolles senkte den Blick und schüttelte den Kopf. Es war eine Geste, die Luc beunruhigte. Dieser Mann, Gatinois, hatte offenbar eine Grenze überschritten. Eine gefährliche Grenze.
    »Sie müssen wissen, dass während des Krieges die Führung der Résistance den Partisanen von Ruac einen Codenamen gab. Sie nannte sie Squad 70. Die Leute von Ruac waren eine besonders brutale und rücksichtslose Gruppe, die bei den Deutschen gefürchtet war, aber die anderen Maquisards haben ihnen nicht über den Weg getraut. Als unsere Einheit 1946 von Général Henri Giraud, einem aus dem engsten Kreis um de Gaulle, gegründet wurde, hat er ihr diesen Namen gegeben. Nicht besonders phantasievoll, das muss ich zugeben, aber so sind wir Militärs nun mal.«
    »Ich weiß über Ruacs Rolle in der Résistance Bescheid«, sagte Luc. »Erzählen Sie mir lieber etwas, was ich noch nicht weiß.«
    »Ich bin mir sicher, dass Sie ziemlich viel wissen, Professor Simard. Wir werden wohl herausfinden müssen, wie viel.« Er deutete auf Pelay. »Wie viel wissen Sie zum Beispiel über diesen Mann?«
    »Nichts«, sagte Luc.
    »Nun gut, dann will ich Sie aufklären. Dr. Pelay ist ein altes Arschloch. Ein sehr altes sogar, vielleicht zweihundertdreißig, zweihundertvierzig Jahre alt, das weiß nicht einmal er selbst so genau. In den 30er Jahren wurde er Arzt, weil sie ihn nach Lyon zum Studieren schickten. Sie brauchten einen Mediziner, zu dem sie Vertrauen haben konnten, schließlich durften sie es nicht zulassen, dass ein Außenstehender sie behandelte. Aber Pelay war damals schon ein Trinker und ein Schwätzer. Während des Krieges war er Bonnets rechte Hand in der Squad 70. Giraud hat ihn nach Algerien zum Rapport beordert, und da hat er sich eines Abends so betrunken, dass er das Geheimnis von Ruac an de Gaulle und Giraud verraten hat. Stellen Sie sich das einmal vor! Da halten die Hunderte von Jahren dicht, und dieser Narr plaudert im Suff alles aus. Alles über ihr langes Leben, ihren Tee und den Grund, weshalb sie so aggressiv sind. Einfach alles. Nach dem Krieg hat sich de Gaulle natürlich daran erinnert und befohlen, dass Ruac von einer Spezialeinheit überwacht und erforscht werden muss.«
    Saras Kopf schien klarer zu werden. Sie stand gerader, und ihre Augen blickten konzentrierter. »Und diese
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