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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition)
Autoren: Ellen Alpsten
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nachmittag hatte sie bereits gehustet. Auch Elisabeth und Anna standen neben ihr. Ich mied ihre Blicke, welche den meinen suchten. Sie waren doch so jung! Wie konnten sie verstehen? Noch wußten weder ich noch sie, noch all die anderen Menschen im Gang, ob ich es war, die sie zu fürchten hatten.
    Ich suchte in der Menge nach einigen Gesichtern: Wer fehlte, waren die Anhänger von Peters Enkelsohn, die Prinzen Dolgoruki und der kleine Peter Alexejewitsch selber. Wo waren sie? Wo heckten sie gerade ihre Pläne zur Übernahme des Thrones aus? Ich mußte ihrer so schnell als möglich habhaft werden!
    Feofan Prokopowitsch und der junge Diener verließen hinter mir Peters Schlafzimmer. Ich versperrte mit meinem Körper den Blick auf das Bett des Zaren. Gott sei gedankt für meine ausladenden Formen!
    Ich sah den beiden Männern kurz nach. Die Beine und das Hinterteil des Dieners zeichneten sich muskulös unter den hellen, schmal geschnittenen Seidenhosen ab. Stimmte das Gerücht, daß Prokopowitsch junge Männer gefielen? Nun, dann hatte ich seinen Begleiter ja gut ausgewählt. Einem jeden, was ihn glücklich machte.
    Menschikow lachte. »Den alten Narren bist du ja gut losgeworden!«
    Ich drehte mich zu ihm und sagte schärfer, als ich es wollte: »Er ist kein Narr. Die Narren sind wir. Ich hoffe, er hält sein Wort.«
    Er sah mich hilflos an. »Welches Wort hat er dir gegeben?«
    »Siehst du! Du bist der Narr hier! Du hörst nur die Worte, die ausgesprochen werden! Aber es wird soviel mehr gesagt als das!« antwortete ich nur. Mit einem Schritt war ich bei ihm und griff ihn am Kragen seines Hemdes, der sich weit über die eng geschnittene Weste faltete. Dabei zog ich die Bänder daran etwas fester, so daß es ihm für einen Moment lang die Luft abschnürte. Er erschrak und hob die Hände so rasch, daß die schwere Spitze seiner weiten Manschetten raschelte und flog.
    Ich wisperte scharf in sein Gesicht: »Menschikow, wir haben jetzt keine Zeit für diesen Unsinn. Wir sitzen beide im selben Boot, und Gnade dir Gott für jede Sekunde, die du jetzt verschwendest!«
    Er keuchte unter meinem festen Griff, dem er sich jedoch nicht zu entwinden wagte.
    »Weißt du, wen ich dort draußen im Gang nicht gesehen habe, Alexander Danilowitsch? Rate mal! Den kleinen Peter Alexejewitsch Romanow habe ich schmerzlich vermißt, ebenso wie seine liebenswerten Ratgeber! Keine Spur von ihnen! Und kannst du dir auch denken, weshalb der rechtmäßige Erbe des Russischen Reiches nicht am Sterbebett seines Großvaters ist, dort, wo er eigentlich hingehört?«
    Menschikow schüttelte schwach den Kopf. Der große und starke Mann hing schlaff wie eine Puppe in meinen Händen und schluckte wieder. Der Schweiß trat ihm auf die Stirn.
    »Weil er wohl in den kaiserlichen Kasernen bei den Truppen ist! Weil sie ihn bald auf ihre Schultern heben und ihn hochleben lassen werden! Weil sie auf den Augenblick warten, in dem der Tod Peter des Großen bekannt wird! Und was geschieht dann mit uns? Was geschieht, wenn er sich erinnert, wer seinen Vater gerichtet hat? Er muß doch wissen, welcher Name als erster unter Alexejs Urteil stand – wenn auch nur mit einem Kreuz neben dem Namenszug, weil du ja nicht schreiben kannst! Menschikow! Guter Gott, wir müssen handeln! Sibirien wird ihnen zu gut für uns sein! Der Fürst Dolgoruki will nichts lieber, als deine und meine Asche in alle Winde zu streuen!«
    Ich ließ ihn los, und er taumelte nach hinten. Er schien noch immer benommen zu sein, als er sich mit seinen starken Fingern voll schwerer Ringe über die Lider fuhr. Als er jedoch seine Augen öffnete, war ich über die Klarheit seines Blickes erstaunt. Er nickte, als er sprach: »Du sagst es, Katharina Alexejewna – sie warten auf den Augenblick, in dem sie vom Ableben des Zaren hören! Aber niemand außer uns in diesem Raum weiß, daß Peter tot ist! Niemand außer Feofan Prokopowitsch und uns!«
    Ehe ich ihn aufhalten konnte, war er schon an der Tür zum Gang und rief einen der Soldaten, der vor Peters Gemächern Wache hielt, zu sich.
    »Feofan Prokopowitsch ist soeben gegangen. Hast du das gesehen?« fragte er ihn leise.
    Der Soldat nickte eifrig. Diese Worte, die er mit Menschikow wechselte, konnten für seine Zukunft alles bedeuten.
    »Gut«, fuhr Alexander Danilowitsch fort. »Nimm dir zwanzig Mann. Folge seiner Kutsche, und wenn er in seinem Haus ist, umstellt Ihr es! Daß mir kein Mann und keine Maus hinein- oder hinauskommt!«
    Der junge Mann
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