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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition)
Autoren: Ellen Alpsten
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mir doch uralt zu sein. Aber ich mußte ein Auge auf ihn haben – Prokopowitsch war einer dieser Männer, die leicht noch vielen Zaren dienen konnten! Ohne ihn konnte ich schon bald vergessen sein.
    Er verneigte sich und hielt mir mit einer Hand das Papier entgegen. Ich nahm es ihm ab und schob es in eine in den Falten meines Kleides verborgene Tasche.
    Feofan richtete sich auf. »Zarin«, hob er mit einer plötzlich müden Stimme an. »Ich lege das Papier in deine Hände.«
    Mein Atem stockte, als er mich mit diesem Titel ansprach. War damit seine Entscheidung getroffen? Menschikow hob den Kopf und betrachtete uns aufmerksam.
    »Feofan …« Ich stockte. Wie sollte ich für das, was ich sagen wollte, die besten Worte finden? »Geh nach Hause, Feofan. Es ist früh am Morgen, und ein Mann deines Alters benötigt Schlaf. Ich werde dich rufen lassen. Bis dahin vergiß nicht, daß nur wir drei in diesem Raum die letzten Worte des Zaren kennen.«
    Er verstand. »Zarin – meine immerwährende Treue und Bewunderung. Du bist die Mutter aller Russen, der lebende Geist unseres Zaren. Rußland war ein unbehauener Block, dem der Meißel des Zaren Leben und Form verlieh!«
    Wenn er in seinem Leben für jedes seiner wohlgewählten Worte nur ein Stück Gold bekommen hätte! Aber er war an Reichtum nicht interessiert. Was wollte er dann? Beständigkeit, Katharina Alexejewna, Beständigkeit. Es war, als flüstere mir Peters vom Trank heisere Stimme ins Ohr. Beständigkeit war das einzige, was stets für ihn gezählt hatte. Sie mußte auch der Schlüssel zur Treue von Prokopowitsch dem Weisen sein. Er hatte seine Wahl getroffen und verneigte sich noch tiefer als zuvor. Als er sich wieder aufrichtete, legte sich sein Blick in meinen. Was wir uns zu sagen hatten, benötigte keine Worte. Zwanzig Jahre gemeinsames Leben und gemeinsamer Kampf verbanden uns lautlos und unlösbar.
    »Auch Wir, Feofan, werden nicht die großen Dienste vergessen, die du Uns erwiesen hast. Und die, so hoffen Wir, du uns weiterhin erweisen wirst.« Ich wechselte bewußt in die majestätische Form der Sprache.
    Er neigte wieder das Haupt, schweigend und würdig.
    »Wir werden dir den St.-Andreas-Orden verleihen. Zudem wollen Wir dir ein Landgut bei Kiew mit tausend, nein, mit zweitausend Seelen schenken.« Ich überlegte rasch, wem ich dazu seine Güter entziehen mußte. Es würde sich schon eine Lösung finden.
    »Ich fühle mich sehr geehrt, Zarin.« Feofan stand und wartete.
    Ich nickte dem Diener zu, der stumm und starr wie eine Statue neben der Tür stand. Er war als einziger außer uns dreien und den Ärzten in dem Raum zugelassen.
    »Laß die Kutsche von Feofan Prokopowitsch anspannen. Und hilf ihm nach unten. Erlaube niemandem, mit ihm zu sprechen. Hörst du?«
    Er nickte hastig. Seine langen Wimpern warfen Schatten auf seine rosigen Wangen: hübsch. Sein Gesicht erinnerte mich mit einem Mal schmerzlich an das eines anderen Mannes. Das Gesicht eines Toten jedoch. Ich hatte es dennoch viele Tage und Nächte hindurch betrachten müssen, dort, neben meiner Bettstatt, wo Peter mir den Kopf hatte hinstellen lassen: Er trieb in einem schweren Glas mit Alkohol, ganz so, wie man Äpfel über den Winter in Wodka einlegte. Seine Augen starrten mich weit aufgerissen traurig an. Die im Leben weichen Lippen waren nun blutleer und schmal geschrumpft. Im Todesschmerz waren sie über den Zähnen und dem Zahnfleisch zurückgezogen. Als ich das Gefäß in meinem ersten Entsetzen von meiner Zofe hatte entfernen lassen wollen, drohte Peter mir wieder mit dem Kloster und der Peitsche. So stand es viele Wochen lang neben meinem Bett, dem Lager, das Peter nicht mehr teilen wollte.
    Ich verjagte die Erinnerung und wiederholte deutlich: »Bei deinem Kopf, Junge: Daß mir niemand mit ihm spricht!«
    Feofan lachte leise bei diesen Worten.
    »Keine Angst, Zariza – wenn Prokopowitsch mit niemandem sprechen will, so spricht auch niemand mit ihm. Komm, Junge, reich’ einem alten Mann deinen Arm!«
    Er machte dem Burschen ein Zeichen, und dieser öffnete die Tür für ihn mit einer Verbeugung.
    Im Gang sah ich in verschreckte, blasse Gesichter. Adlige wie Diener saßen dort wie Kaninchen in der Falle und sahen mich furchtsam an. Mein Erscheinen ließ einen Ruck durch die Menge gehen. Madame de la Tour, die dürre französische Erzieherin meiner Töchter, hielt meine kleine Natalja an sich gedrückt. Es gefiel mir nicht, sie dort zu sehen. Es war viel zu kalt im Gang, und gestern
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