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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition)
Autoren: Ellen Alpsten
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nickte wieder. Dann zögerte er kurz. »Was ist mit dem Diener, der bei ihm ist? Sollen wir …?« Er machte eine eindeutige Geste, indem er sich mit der flachen Hand über die Kehle fuhr.
    Menschikow schüttelte den Kopf. »Nein, er soll dem Alten Gesellschaft leisten.«
    Beide Männer grinsten sich kurz und wissend an. Menschikow schlug dem Offizier auf die Schulter und sagte: »Wenn du alles gut erledigst, soll es nicht zu deinem Nachteil sein!«
    Der junge Mann strahlte.
    »Wie heißt du?« fragte Menschikow noch.
    »Orlow, mein Prinz!« Er verneigte sich bei diesen Worten tief vor Menschikow.
    Menschikow nickte ihm noch einmal ermunternd zu und schloß dann die Tür wieder.
    Sein Handeln gefiel mir. Hier war wieder der mutige, entschlossene Mann, der so viele Schlachten zum Besseren gewendet hatte, der so oft seinen Kopf aus den widrigsten Schlingen gerettet hatte. Wie hatte Peter doch gesagt, als jemand Alexander Danilowitsch wegen seiner undurchsichtigen Geschäfte bei ihm anzeigen wollte?
    »Menschikow bleibt Menschikow, was auch immer er tut!«
    Damit war der Fall entschieden gewesen.
    Es war mir gelungen, meine Furcht auf ihn zu übertragen. Das war jedoch nur der erste Schritt. Aber er hatte ja recht: Niemand außer uns wußte, daß der Zar tot war! Wir hatten durch dieses Wissen einige Stunden Vorsprung, das Geheimnis gab uns bitter notwendige Zeit: Zeit bis hin zum Morgen, der sich bleiern über Peters Stadt wölben sollte.
    So sagte ich etwas milder gestimmt zu ihm: »Komm jetzt. Wir gehen nach nebenan, in die kleine Bibliothek.« Ich schob ihn leicht voran.
    Er ging unsicheren Schrittes zu dem Stuhl, auf dem er seit zwei Tagen und Nächten Wache an Peters Lager gehalten hatte. Seinen bestickten Rock aus grünem Brokat hatte er nachlässig über die Lehne geworfen. Einer der in den Stoff eingewebten Silberfäden ließe einen Bauernhaushalt leicht für zwei Jahre überleben. Sein Stock mit dem Griff aus Elfenbein lehnte an dem kleinen Tisch daneben. Er nahm beides auf und wandte sich zu der in der Wandtäfelung versteckten Tür, die in Peters kleine Bibliothek führte.
    Ich wandte mich zu den Ärzten. »Blumentrost! Ich möchte nicht, daß Ihr drei diesen Raum verlaßt, ehe ich es erlaube, verstehst du?«
    »Aber …« er setzte zu einer Antwort an.
    »Es ist Unser kaiserlicher Wille, daß die Nachricht vom Ableben Seiner Majestät noch nicht bekanntwird. Kein Wort! Oder du wirst hier in Rußland nie wieder als Arzt arbeiten, damit das klar ist!«
    Gut gesprochen. Mit diesem Ton wäre auch Peter einverstanden gewesen.
    »Zariza, wie Ihr es befehlt.« Blumentrost verneigte sich stumm.
    »Gut. Du wirst später entlohnt. Und für deine Kollegen gilt dasselbe.«
    Menschikow hatte die schmale Tür, die in der Wandtäfelung verborgen zu dem Nachbarraum führte, bereits geöffnet und wartete auf mich.
    Er schwankte etwas. Hatte er getrunken während der Wache? War es die Müdigkeit, die ihn unsicher auf den Beinen werden ließ? Oder: War es Angst?
     
    Ich ging ihm in den kleinen, dunklen Raum voran: Peters geheimes Reich. Im Kamin war das Feuer niedergebrannt, und das Holz der Wände warf seine Wärme angenehm zurück. Der Boden war mit weichen Teppichen ausgelegt, die wir von unserem Feldzug nach Persien mitgebracht hatten. Die schlichten Stühle, die vor dem Schreibtisch, dem Kamin und vor den Regalen standen, hatte Peter selber gezimmert. Manchmal hatte ich noch um Mitternacht die Geräusche des Hobels und der Hammerschläge aus seinen Räumen gehört. Das Schreinern und Zimmern vertrieb seine Teufel und seine Ängste. Manchmal war Peter vor Erschöpfung über seiner Hobelbank eingeschlafen. Menschikow alleine konnte ihn sich dann über die Schultern legen und ihn zu Bett bringen. Wenn ich dort nicht auf ihn wartete, dann verwendete er den Bauch eines jungen Kammerherrn als Kopfkissen.
    Vor den hohen Fenstern des Raumes hingen die schweren gewebten Vorhänge, die er als junger Mann vor dem großen Nordischen Krieg noch in Holland gekauft hatte. In den Regalen standen Bücher über Bücher: Reiseberichte, Schriften über die Seefahrt, Schlachten zu Wasser und zu Land wie auch religiöse Werke. In jedem der Werke hatte er wieder und wieder geblättert. Es war eine Welt, in die ich ihm nie folgen konnte. Bücher lagen auch noch aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch und stapelten sich in Haufen in den Ecken und neben dem Kamin. Einige davon waren gedruckt und in dickes Schweinsleder gebunden, andere vor langer
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