Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Zaehmung

Titel: Die Zaehmung
Autoren: Jude Deveraux
Vom Netzwerk:
auszuliefern. Tatsächlich möchte er jeden Grashalm in seinen Besitz bringen, der den Peregrines gehört.« Da sprach nur Bitterkeit aus Jeannes Stimme.
    Jeanne fuhr fort: »Ich weiß nicht, was ich jetzt mit Euch machen soll. Ich kann niemandem trauen. Oliver hat jedem den Tod angedroht, der dabei beobachtet wird, wie er Euch hilft. Er weiß, daß Ihr Euch noch immer in der Burg befindet; denn seit er Euch hierhergebracht hat, hat jeder Wächter an den Toren das Gesicht jedes Bauern und jeder Bäuerin kontrolliert, die die Burg betritt oder wieder verläßt. Seine Männer durchkämmen in diesem Augenblick sogar die Wälder außerhalb der Mauern.«
    Jeanne holte tief Luft. »Zur Hölle mit Rogan. Warum hat er sich nicht bemüht, Euch zurückzubekommen? Ich hätte nie gedacht, daß er jemanden von seiner Sippschaft verrotten ließe.«
    »Das läßt er nicht!« erwiderte Liana heftig und biß sich dann auf die Zunge.
    »Ihr wißt etwas.« Jeanne faßte Liana bei den Schultern. »Helft mir, Euer Leben zu retten. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Olivers Männer auch diesen Keller durchsuchen. Ich kann Euch nicht retten, wenn Ihr entdeckt werdet.«
    Liana weigerte sich, zu sprechen. Rogan hatte sie schwören lassen, daß sie sich Jeanne nicht anvertrauen würde, und sie würde ihr Wort halten.
    »Also gut«, sagte Jeanne müde. »Wie Ihr meint. Ich werde mein möglichstes tun, Euch, so rasch ich kann, aus der Burg herauszuschaffen. Könnt Ihr schwimmen?«
    »Nein«, antwortete Liana.
    Jeanne seufzt. »Ich werde mir alle Mühe geben«, flüsterte sie und schlüpfte dann wieder aus dem Gewölbe.
    Liana verbrachte eine ruhelose Nacht auf den harten Getreidesäcken. Sie konnte Jeanne nicht sagen, daß sich Rogan innerhalb der Burgmauern befand und ihr bei der Flucht helfen würde. Wenn sie Jeanne Rogans Tarnung verriet, konnte sie das Oliver weitersagen.
    Wenn sie ihr nun aber die Wahrheit erzählt hatte? Es war tatsächlich nur eine Frage der Zeit, bis man sie hier finden würde. Und wenn sie ergriffen wurde — würde Rogan dann in seiner Bettlerkleidung ruhig dabeistehen und zusehen, wie man sie umbrachte? Nein, Rogan würde nicht schweigen, und Oliver Howard würde sie beide in seiner Gewalt haben.
    Am Morgen hörte Liana ein Geräusch, das durch den schmalen Mauerschlitz hoch oben in der Wand zu ihr her-unterdrang. Sie brauchte lange dazu; aber dann hatte sie so viele von den zentnerschweren Säcken aneinandergelehnt, daß sie eine Pyramide bildeten, die sie zu erklettern vermochte. Von deren Spitze aus konnte sie durch das untere Ende des langen Mauerschlitzes spähen.
    Auf dem Gelände draußen herrschte ein lebhaftes Treiben. Männer und Frauen liefen durcheinander und riefen sich gegenseitig etwas zu; Türen wurden aufgerissen, Pferde aus den Ställen geführt; mit Gütern beladene Fuhrwerke wieder entladen. Sie wußte, daß die Suche nach ihr im vollen Gange war.
    Als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, um besser sehen zu können, entdeckte sie weit in einiger Entfernung in der Nähe der Ställe einen alten verkrüppelten Bettler mit einem Buckel und einem Bein, das er beim Gehen nachzog. »Rogan«, flüsterte sie und starrte den Mann beschwörend an, als könnte sie ihn mit der Macht ihres Willens zu sich holen. Und als habe er ihre stumme Botschaft empfangen, humpelte er nun langsam auf den Mauerschlitz zu.
    Das Herz klopfte Liana laut im Hals, als er näher kam. Das Fenster befand sich in mäßiger Höhe über dem Boden draußen, und wenn er sich bis auf Hörweite dem Mauerschlitz genähert hatte, würde sie ihm vielleicht etwas zurufen können. Sie hielt den Atem an, als er nur noch ein paar Schritte entfernt war, und öffnete den Mund, um sich bemerkbar zu machen.
    »He, du!« rief da ein Howard-Ritter Rogan zu. »Du hast zwei gute Arme. Bring dieses Fuhrwerk von hier weg.«
    Tränen stiegen Liana in die Augen, als sie sah, wie Rogan sich mühsam auf den Kutschbock hinaufzog, die Pferde antrieb und sich mit dem Fuhrwerk entfernte. Sie setzte sich auf die Getreidesäcke nieder und begann zu weinen. Was Jeanne ihr gesagt hatte, stimmte. Oliver Howard ließ jeden Winkel der Burg nach ihr absuchen, und wenn er sie heute noch nicht fand, würde er sie gewißlich morgen entdecken.
    Eine Stimme in ihrem Kopf sagte ihr, daß sie Jeanne vertrauen müsse — daß ihre einzige Chance zu überleben darin bestünde, Jeanne mitzuteilen, daß Rogan in der Nähe sei und einen Fluchtplan habe. Wenn sie sich Jeanne
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher