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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman
Autoren: Blanca Busquets
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gefüttert, über deinen Schlaf gewacht, dich aufgezogen und in die Schule gebracht haben.
    Ich werde nie deinen Blick bei Eduards Beerdigung vergessen. Hättest du mich damals nicht so angesehen, wäre mir nicht einmal im Traum eingefallen, dass du ihn auf dem Gewissen hast. Aber dann war mir alles klar. Denn deine Augen sprachen Bände, Dolors, so wie immer. Sie sagten mir, dass du es bitter bereust, dass diese Verzweiflungstat die Folge der vielen Jahre war, in denen du an der Seite eines Menschen leben musstest, den du von Tag zu Tag mehr gehasst hast. Und sie erzählten mir, dass du wie in Trance gehandelt hast, so als würdest du einen schrecklichen Albtraum erleben, und nach dem Erwachen unheimlich entsetzt gewesen bist über dich selbst.
    Natürlich darf man einen Menschen wegen so etwas nicht umbringen, doch für mich bist du deshalb noch lange keine gewissenlose Mörderin. Du hast das nicht aus niedrigen Beweggründen gemacht, und letztlich hat alles seinen Grund. Und wenn ich ehrlich bin, so war Eduards Tod für alle doch das Beste.
    Erinnerst du dich auch noch an die Zeit, in der wir uns jede Woche nachmittags im Café zu Schokolade und Kuchen getroffen haben? Wie du die heiße Schokolade gelöffelt und dabei ein Gesicht gezogen hast, als würdest du gerade das größte Unrecht der Welt begehen, darüber muss ich bis heute schmunzeln. Deine Teresa hat mir vorhin erzählt, dass der Grund für den Sturz in der Küche deine Gelüste nach Schokolade waren. Du hast ja immer gesagt, du könntest ihr einfach nicht widerstehen. Der Duft von Schokolade und Wolle, die beim Stricken durch deine Finger gleitet, darauf hast du in deinem Leben nie verzichtenwollen. Und bis zum Schluss hast du beidem nicht abgeschworen. Und so hoffe ich, dass die Speisekammer im Himmel für dich voller Schokolade ist. Wenn das da oben die beste aller Welten ist   … dann wartet da auf dich dein Antoni mit einer schönen heißen Schokolade mit viel Sahne drauf. Lass es dir schmecken, Dolors, lass es dir so richtig gut schmecken, liebste Freundin, und auf bald!
     
    Jedes Mal, wenn ich einen Sarg sehe, frage ich mich, was nach dem Tod mit der Seele des Menschen geschieht, mit seinem Geist oder wie immer man das nennen will. Die, die an Gott glauben, haben es leicht: Für sie lebt die Seele weiter, fährt in den Himmel auf und ist auf ewig glücklich. Aber du weißt ja, Mama, dass ich nicht gläubig bin, und deshalb denke ich, dass nicht nur dein Körper, sondern auch dein Geist gestorben ist und nun alles da in der Kiste liegt. Es ist schon ein komisches Gefühl, jetzt bin ich in die erste Reihe vorgerückt; wenn der Tod unsere Familie das nächste Mal besucht, wird er wohl mich mitnehmen, theoretisch zumindest. Ich hoffe, dass er noch ein paar Jährchen auf sich warten lässt.
    Ich bin froh, dass du jetzt tot bist, Mama, auch wenn sich das jetzt vielleicht komisch anhört. Aber weißt du, ich bin froh darüber, weil du die letzten Wochen sehr leiden musstest, das Atmen fiel dir immer schwerer, und du hattest große Schmerzen, sodass wir dir Morphium geben mussten und du nur noch dahingedämmert bist und nicht mehr dieselbe warst wie früher. Du warst voller Geheimnisse, Mama. Und diese Geheimnisse haben aus dir einen ganz besonderen Menschen gemacht. Weißt du, oft habe ich gedacht, meine Mutter ist eine größere Feministin als viele meinerParteifreundinnen. Dich hat niemand zahm gekriegt. Du hast dich nie einem fremden Willen gebeugt. Und damit meine ich nicht nur die Geschichte mit meinem Vater. Als ich am Tag von Leonors Hochzeit erfuhr, wessen Tochter ich in Wahrheit bin, brauchte ich erst einmal ein bisschen Zeit, um das zu verarbeiten. Während der Feier hatte Antoni dem Wein kräftig zugesprochen und redete wie ein Wasserfall. Offensichtlich freute es ihn, deine Töchter endlich kennenzulernen. Ich saß mit ihm an einem Tisch und fand ihn sehr amüsant. Er zog mich an, noch wusste ich nicht, warum, aber er hatte etwas, das mir gefiel.
    Nach der Feier sind Eli und ich mit ihm dann noch in die nächste Kneipe gezogen, wir waren damals ja schon ein Paar. Und da erzählte Antoni uns dann, wie ihr euch kennengelernt habt. Ich war wie vom Donner gerührt, denn ich wusste ja nichts von eurer heimlichen Liebe, damals in seinem Häuschen neben der Fabrik, und fragte mich natürlich, warum du nie darüber geredet hast. Von heute auf morgen sei dann aber auf einmal alles aus gewesen, du hättest ihm gesagt, dass du ihn nicht mehr liebst
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