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Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman

Titel: Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman
Autoren: Blanca Busquets
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müssen sich mehr um sie kümmern, Senyora, ansonsten war das, was wir hier für Ihre Tochter getan haben, umsonst.
    Ich habe nur mit halbem Ohr hingehört. Sandra geht es jetzt blendend, schau sie dir an, wie hübsch sie ist, das blühende Leben. Schlank ist sie, ja, aber doch längst nicht mehr so ein Hungerhaken. Und irgendwann wird wenigstens sie mir Enkel schenken, da bin ich mir zum Glück ganz sicher.
     
    Ach, Senyora Dolors, ich kann es immer noch nicht fassen, ich dachte immer, dass Sie mich um Jahre überleben werden, so energiegeladen, wie Sie waren.
    Ich werde den Tag nie vergessen, an dem Sie an mir vorbei ins Esszimmer gerauscht sind, in dem ich gerade den Boden geputzt hatte, und Sie der Länge nach hingefallen sind. Da habe ich mir solche Sorgen gemacht, ich dachte ja, Sie hätten sich wer weiß was gebrochen, aber Pustekuchen! Ihre Laune war allerdings wirklich zum Davonlaufen, Sie wollten sich partout nicht beim Aufstehen helfen lassen, aber da waren Sie bei mir an der falschen Adresse, das ging nun wirklich nicht, dass sich eine Vierundachtzigjährige ganz allein vom Boden aufrappelt.
    Und nun liegen Sie in diesem Sarg, das ist wirklich unglaublich, dabei hatten Sie so viel Leben in sich. Wir sind nichts, ach, lieber Gott im Himmel, die Erde sei ihr leicht. Mein Taschentuch ist schon klatschnass, so muss ich weinen,ich hätte wirklich die Kleenex-Schachtel mitnehmen sollen, aber ich habe mir gesagt, Fuensanta, die Beerdigung von Senyora Dolors ist ein würdiger Anlass, steck da mal lieber das Spitzentaschentuch ein, das Alfonso dir vor seinem Tod geschenkt hat, es schickt sich einfach nicht, auf einer Beerdigung unablässig Papiertaschentücher aus einer Box zu zupfen, und du wirst bestimmt eine Menge Tränen vergießen. Ah, da ist noch ein einigermaßen trockenes Eckchen, damit kann ich mir ein paar Tränen abwischen.
    Jetzt, wo Sie tot sind und nicht mehr herumnörgeln können, sollen Sie wissen, Senyora Dolors, dass ich Sie sehr gerngehabt habe. Vielleicht war ich ja nicht so ganz Ihr Fall, denn bei meinem Anblick runzelten Sie immer die Stirn, aber in all den Jahren, die ich an Ihrer Seite war, habe ich mich wirklich bemüht, Ihnen alles recht zu machen und Ihnen zu helfen, so gut ich konnte. Und wissen Sie, was, Senyora? Ach herrje, jetzt muss ich noch mehr weinen und habe kein Taschentuch mehr   … Also, was ich Ihnen sagen wollte: Als ich Sie zum ersten Mal bei Ihrer Tochter in Ihrem Sessel sitzen sah und Sie nicht mehr sprechen konnten, da wäre ich fast in Ohnmacht gefallen, so hab ich mich erschrocken. Denn das waren doch nicht mehr Sie!
    Jemand anders wäre vielleicht hochzufrieden gewesen, Sie so zu sehen, nach allem, was ich mir vorher von Ihnen anhören musste, aber ich bin nicht nachtragend, Senyora Dolors, nein, Sie taten mir einfach nur furchtbar leid, und da konnte ich die Tränen wirklich nicht mehr zurückhalten, und Ihre Leonor musste mir ein Kleenex nach dem anderen geben.
    Und als ich mich nach Ihrem Sturz vom Hocker in der Küche dann vormittags um Sie kümmerte, Senyora Dolors,da war es mein größter Herzenswunsch, Ihnen all die Unverschämtheiten, die Sie zu mir gesagt hatten, zu vergeben, denn Sie haben all das sicher nicht mit böser Absicht zu mir gesagt, auch wenn es wirklich sehr unangenehme Worte waren. Das habe ich Ihnen da also gesagt, dass ich Ihnen von ganzem Herzen verzeihe, auch wenn Sie mich nicht mehr hören konnten. Und der liebe Gott wird das sicher anrechnen, denn Sie hätten mich bestimmt auch darum gebeten, wenn Sie am Schluss noch bei Bewusstsein gewesen wären. Zuerst hatte ich ja noch gehofft, dass Sie mich schriftlich um Verzeihung bitten würden, nach dem Schlaganfall, als Sie zwar stumm, aber sonst noch ganz gut bei Sinnen waren und sogar wieder gestrickt haben, da konnten Sie noch schreiben. Immerhin gilt es beim Jüngsten Gerichts mehr, wenn der reuige Sünder selbst um Vergebung bittet, aber Sie waren ja immer so störrisch und dachten nicht daran, bis es zu spät war und der Unfall geschah, und dann sind Sie irgendwann nur noch dahingedämmert, und ich musste Ihnen verzeihen, ohne dass Sie mich darum gebeten hatten, damit Sie schließlich in Frieden sterben konnten. Der liebe Gott wird Ihnen die Sturheit bestimmt nicht ankreiden, sicher sind Sie schon bei ihm im Himmel. Bitten Sie für mich, Senyora Dolors, bitten Sie für mich vor seinem Thron, ich weiß, dass Sie ein viel besserer Mensch waren, als es den Anschein hatte.
    Und bitten Sie
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